Gallifrey: Staffel 4

Die ersten drei Gallifrey-Staffeln hängen recht eng zusammen und die Folgen der einzelnen Staffeln bilden eine weitestgehend zusammenhängende Handlung. Diese drei Staffeln haben zur Katastrophe geführt – Gallifrey ist in einem Bürgerkrieg versunken und wurde von einem zerstörerischen Virus heimgesucht. Romana, Leela, Narvin, Brax und K-9 haben sich in die Axis geflüchtet, eine Art Zwischenwelt, die verschiedene Realitäten verbindet. Dort können sie nicht ewig bleiben, weshalb sie versuchen, in parallelen Gallifreys Zuflucht zu finden.

Reborn (Gary Hopkins)

Unsere vier Protagonisten erkunden zuerst ein Gallifrey, auf dem die Time Lords ihre zukünftigen Regenerationen untereinander verschachern (Regenerationsentzug als Strafe ist auch verbreitet) und wo Time-Lord-Technologie an andere galaktische Mächte verkauft wird. Romana war dort nicht Präsident, sondern hat eine Familie gegründet – trotzdem ist diese Parallel-Romana in politische Intrigen reingeraten.

Disassembled (Justin Richards)

Dieses Gallifrey macht zuerst den Eindruck, dass es dem originalen Gallifrey recht ähnlich ist – mit einem Unterschied: Statt sich kategorisch aus den Angelegenheiten anderer Planeten rauszuhalten, lenken die Bewohner dieses Gallifreys bewusst die Geschicke des Universums in ihrer Meinung nach geordnete Bahnen. Dadurch verläuft natürlich das Leben des Doctors ganz anders, was wiederum Auswirkungen auf sein Verhältnis zu seinem Bruder Braxiatel hat.

Annihilation (Scott Handcock, Gary Russell)

Auf diesem Gallifrey haben sich die Time Lords nicht gegen die Vampire durchsetzen können, und so bleibt den True Lords, wie sie sich hier nennen, nichts anderes übrig, als auf verlorenem Posten unter Lady Borusa (Katy Manning!) gegen die Vampire anzurennen. Leela kämpft auf ihrer Seite und kann sich in dieser Welt, in der es statt politischer Intrigen nur offenen Kampf gibt, endlich wieder nützlich machen.

Forever (David Wise)

Ein Gallifrey voller Sklaverei und auf dem politische Meinungsverschiedenheiten durch gegenseitige Mordanschläge ausgetragen werden, dafür ohne Zugang zu Zeiteisen: Das ist die letzte Station unserer Protagonisten. Narvin begegnet hier seinem Doppelgänger, der noch genauso ein Arschloch ist, wie unser Narvin es am Anfang der Gallifrey-Serie war.

Gallifrey 4 könnte man auch Gallifrey Unbound nennen, denn die vier Folgen spielen in vier parallelen Gallifreys, die alle auf ihre Art noch brutaler sind als das originale Gallifrey. Ich bin sonst gar kein großer Fan von alternativen Universen, aber in Gallifrey wird dies als Mittel zur Charakterisierung der Hauptfiguren genutzt. Die Covergestaltung deutet es schon an, dass jede Folge den Schwerpunkt auf eine Hauptfigur legt – das heißt aber nicht, dass den anderen Hauptfiguren dabei weniger Beachtung geschenkt wird. So wird zum Beispiel in Reborn, also Romanas Folge, Narvin ganz übel mitgespielt (und in anderen Folgen auch), was noch Auswirkungen bis weit in die Zukunft haben wird, in Disassembled kann Louise Jameson eine parallele Leela spielen, die keinerlei Skrupel kennt, Romana trägt weit Teile der Handlung in Annihilation und in Forever führt Leela einen Sklavenaufstand an.

Ohnehin war die Charakterentwicklung der Hauptfiguren schon immer der eigentliche Schwerpunkt dieser Serie und diese Staffel treibt das auf den Gipfel. Wir sehen, wie sehr Narvin sich gewandelt hat, und wie sehr ihm seine Freunde an den Herzen liegen – allein die Beschreibung der vier Hauptfiguren als Freunde wäre am Anfang der Gallifrey-Serie undenkbar gewesen. Auch Leela hat Gelegenheit, zu glänzen und ihre Ohnmacht in der Welt der Politik wird ebenso thematisiert wie die Tatsache, dass ihre völlig anders geartete Intelligenz oft unterschätzt wird. Romana steht sowieso im Zentrum der Aufmerksamkeit; insbesondere dreht sich diese Staffel darum, wie sehr die großen Entscheidungen, die sie bisher treffen musste, auf ihr lasten. Brax, der sonst so mysteriös ist, muss in Disassembled einige Details aus seiner Vergangenheit preisgeben – bei der Gelegenheit werden gleich noch ein paar kleine Sachen zur Doctor-Who-Mythologie ergänzt und als besonderes Schmankerl tritt Colin Baker als paralleler 6. Doctor auf.

Die Haupthandlung läuft in dieser Staffel kaum weiter – Gallifrey 4 wurde 2011 produziert, also zu einer Zeit, wo es noch nicht absehbar war, dass Big Finish inzwischen den Time War und damit das logische Ende der Gallifrey-Serie angehen darf. Trotzdem ist dies der Zeitpunkt, in dem Stück für Stück die Grundlagen dafür gelegt werden, dass die Hauptfiguren auch nach Gallifrey ein Leben im Whoniversum haben können: Brax wird an die Bernice-Summerfield-Serie weitergereicht (wo noch eine spätere oder parallele Version – so genau weiß man das nicht – von ihm existiert) und Leela taucht bereits in den Jago & Litefoot-Hörspielen auf (über deren zeitliche Einordnung ich mir für Leela noch nicht ganz im Klaren bin).

Trotz der ungewöhnlichen Ausführung ist Gallifrey 4 sehr zu empfehlen. Als Atempause von den vielen politische Intrigen ist es sogar geradezu willkommen.

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