Torchwood: 2. Staffel der Big-Finish-Hörspiele

Die erste Torchwood-Staffel bei Big Finish war ein voller Erfolg, weshalb direkt daran anschließend eine zweite Staffel produziert wurde. Die Fortführung der Serie mit einem neuen Torchwood-Team in Cardiff ist immer noch geplant, aber fürs erste werden weiterhin Folgen produziert, die vor, während und nach der Fernsehserie spielen und die das gleiche Format haben wie in der 1. Staffel: Jede Folge beschäftigt sich mit den Erlebnissen eines Team-Mitglieds, wobei das Format der Folgen auf das jeweilige Team-Mitglied zugeschnitten ist. Als Resultat hat man eine Staffel voller unterschiedlicher Hörspiele, die man entweder in einem durchhören kann oder von denen man sich dem persönlichen Geschmack entsprechend die Rosinen rauspicken kann. Auch diese Staffel werden wir keine Folge mit dem kompletten alten Torchwood-Team genießen können, aber angesichts dessen, dass die Veröffentlichung der ersten Staffel einige Monate nach vorne verlegt wurde und die zweite Staffel daher ebenfalls viel schneller als erwartet veröffentlicht wird, kann ich das verzeihen. Big Finish haben außerdem versprochen, dass wir noch 2016 die Auflösung des Handlungsbogens um das Committee hören werden.

Noch mehr als in der ersten Hörspiel-Staffel drehen sich die Folgen dieser Staffel um die Charakterentwicklung der jeweiligen Hauptdarsteller der einzelnen Folgen; die Handlung der Hörspiele ist also im wesentlichen Grundlage für die Charakterarbeit. Mit Andys und Gwens Folgen wird auf den Aufbau eines neuen Torchwood-Instituts hingearbeitet, und mit Broken wird ein großes Problem der Charakterisierung in der ersten Staffel – nämlich, wieso nach Cyberwoman Jack so überaus nachsichtig gegenüber Ianto war und wieso Ianto seinerseits schnurstracks zu business as usual überging – endlich offiziell und zur Zufriedenstellung so ziemlich aller Fans angegangen. Es macht sich einmal mehr positiv bemerkbar, dass bei Big Finish die Fans am Hebel sitzen, und praktischerweise gibt es zusätzlich eine gewisse personelle Kontinuität zur Fernsehserie, wodurch die Hörspiele die Fernsehfolgen perfekt ergänzen.

In Kontinuität mit den Hörspielen (und dem Buch Exodus Cod) gibt es eine von John Barrowman und seiner Schwester Carol geschriebene Comicserie, die ab August 2016 fortlaufend veröffentlicht wird und einem so die Torchwood-freie Zeit versüßen wird.

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The Victorian Age (Hauptfigur: Jack Harkness; Autor: AK Benedict)

Queen Victoria kommt zur Inspektion von Torchwood London – gerade als ein Alien ausbricht, das nun durch London zieht und Leuten ihre Jugend raubt. Victoria lässt es sich nicht ausreden, an der Verfolgung des Aliens mit teilzunehmen.

Im Gegensatz zu Jacks vorherigen Folgen ist dies ein echtes Hörspiel ohne Jack als Teilzeit-Erzähler. Das macht sich insofern bemerkbar, dass The Victorian Age der Charme und das Augenzwinkern der beiden anderen Jack-Hörspiele ein wenig fehlt. Zwar sorgt die Queen für einige Schmunzler und das Hörspiel nimmt sich nicht zu ernst (bei einer alienjagenden Queen Victoria wäre sowas schlichtweg unmöglich), aber es ist eben auch kein ganz großer Knaller. Abgesehen von Jacks Präsenz hätte dies fast eins der absurderen Doctor-Who-Pseudohistoricals sein können, es fehlt also in gewissem Maße das Torchwood-Feeling. Sehr gefreut habe ich mich allerdings, dass in The Victorian Age großzügig meine liebsten Stücke aus dem Torchwood-Soundtrack eingesetzt wurden.

Zone 10 (Hauptfigur: Toshiko Sato; Autor: David Llewellyn)

Tosh hat eine Nachricht entschlüsselt, an der sich Generationen vor ihr die Zähne ausgebissen haben. Diese Nachricht ruft sie in eine Zone 10 in Russland.

Zone 10 ist wieder ganz anders als die bisherigen Torchwood-Hörspiele. Diesmal spielen Zeitanomalien eine Rolle, wodurch sich eine etwas größere Nähe zur Mutterserie ergibt. Sehr schön ist, dass Tosh jetzt endlich eine gelungene Folge ganz für sich bekommt – in Greeks Bearing Gifts stand sie zwar im Mittepunkt, aber als gelungen ist diese Folge auf keinen Fall zu bezeichnen, und To the Last Man ist zwar eine sehr schöne Folge, aber da stand Tosh nicht so sehr im Mittelpunkt. In Zone 10 kann Tosh nun glänzen und beweisen, dass sie auch außerhalb des Hubs pfiffig ist. Für sich genommen ist dieses Hörspiel sehr spannend und es wird außerdem die übergreifende Handlung um das Committee weitergeschrieben. Es ist zu hoffen, dass dieses Hörspiel Auswirkungen auf die zukünftigen Hörspiele haben wird.

Ghost Mission (Hauptfigur: Sergeant Andy; Autor: James Goss)

Andy sieht einen Geist: Norton Folgate, Torchwood-Mitarbeiter aus dem Jahre 1953. Er soll Andy daraufhin testen, ob er sich als Torchwood-Mitglied eignet. Prompt muss Andy nahezu ohne Hilfe ein paar Aliens stoppen.

Big Finish hat sich schon wieder selbst übertroffen – Ghost Mission ist einfach genial. Die Folge ist wahnsinnig witzig (kein Wunder – Tom Price macht viel Stand-Up und Radiocomedy) und sie ist gleichzeitig richtig spannend. Die staffelübergreifende Handlung ums Committee wird auch eingebaut, und zwar auf eine Art und Weise, die auf mehr Andy-Hörspiele hoffen lässt. Ghost Mission ist auch deshalb so toll, weil es letztenendes ein Außenblick ist auf den Wahnsinn, der Torchwood nun einmal ist. Andy weiß zwar seit Asylum, was Torchwood macht, und er kann richtig gut Valley Girls auf Freitag-Abend-Sauftour beruhigen, aber Aliens sind doch was anderes. Trotzdem ist er nicht doof (seine Testergebnisse in der Polizistenausbildung waren immer gleichauf mit denen von Gwen) und schnell auf der richtigen Fährte, und zwar auch dann noch, als sein Probetag schon vorbei ist. In diesem Hörspiel geht es auf jedenfall um mehr, als es zuerst den Anschein hat.

Moving Target (Hauptfigur: Suzie Costello; Autor: Guy Adams)

Die Welt ist stehengeblieben – nur Suzie Costello nicht. Auf dem Weg zum Hub trifft sie Alex, die ebenfalls nicht in der Zeit eingefroren wurde. Alex wurde als Beute für eine "Großwildjagd" mit Aliens als Teilnehmern ausgewählt.

In den beiden Folgen, in denen Suzie vorkam, haben wir überwiegend ihre schlechten Seiten kennengelernt. Moving Target bietet nun die Gelegenheit, andere Seiten von Suzie zu sehen. Dennoch ist klar, dass Suzies Verhalten in ihren beiden Fernsehfolgen nicht von ungefähr kommt. So hören wir hier einerseits eine Suzie, die noch nicht nur an sich denkt und die ernsthaft die Welt retten will, aber andererseits ist all das kaltschnäuzige Verhalten, dass wir aus ihren Fernsehfolgen kennen, schon da. Wenn man nicht viel mit Suzie als Figur anfangen kann, kann man sich Moving Target sicherlich sparen, aber wenn sie ein wenig näher kennenlernen will, dann ist Moving Target die Folge der Wahl.

Broken (Hauptfiguren: Ianto Jones, Jack Harkness; Autor: Joseph Lidster)

Kurz nach Cyberwoman: Iantos Leben bricht endgültig auseinander. Sein einziger Rückzugsort ist das lokale Pub mit einer verständnisvollen Bardame. Aber eines Tages betritt Jack Harkness ausgerechnet dieses Pub.

Die erste Torchwood-Staffel hat große, große Schwächen in Bezug auf die Charakterisierung der Hauptfiguren. Big Finish haben sich anscheinend zum Ziel gesetzt, die gröbsten Fehler auszubügeln, und das gelingt ihnen mit Broken wunderbar. Ianto war in der ersten Fernsehstaffel nur als sekundäre Hauptfigur angedacht und dementsprechend wenig sehen wir von ihm in vielen Folgen – angesichts seiner unglaublichen Popularität und seiner größeren Rolle in der zweiten und dritten Fernsehstaffel fällt das geradezu unschön auf. Dieses Hörspiel spielt zwischen Cyberwoman und They Keep Killing Suzie (und umfasst dementsprechend die Folgen mit den größten Schwankungen in der Charakterisierung der Hauptfiguren) und endlich können wir eindeutig nachvollziehen, wie es Ianto nach Lisas Tod ergangen ist. Broken ist das erste Hörspiel mit zwei Hauptfiguren aus dem Torchwood-Team, aber Jack spielt hier nur zweite Geige – obwohl auch bei ihm glücklicherweise die Schwächen in der Charakterisierung in der ersten Fernsehstaffel etwas zurechtgebogen werden. Ein Alien gibt es auch in diesem Hörspiel, aber das ist nur Katalysator für Iantos Charakterentwicklung. Broken ist aufgrund der Thematik – Trauer und Einsamkeit – nicht immer leicht zu hören, aber gerade die letzten paar Minuten sind ganz großes Kino und dürften das Herz eines jeden Fans höher schlagen lassen.

Made You Look (Hauptfigur: Gwen Cooper; Autor: Guy Adams)

Gwen fährt nach Talmouth, einen kleinen Badeort an der walisischen Küste. Dort geht ein Monster um, das einen tötet, wenn man es zum dritten Mal erblickt.

Made You Look treibt den Gruselfaktor ordentlich in die Höhe: Ein verlassenes kleines Urlaubsstädtchen in der Nebensaison ist schon gruselig an und für sich, und dazu kommt noch ein wenig body horror und mindfuck. Soweit erkennbar, bleibt das Committee diesmal außen vor und auch der Wiederaufbau von Torchwood ist nicht Thema. Diese Episode steht also für sich allein und will gar nichts anderes sein, als eine schöne Gruselfolge. In der Fernsehserie wäre Made You Look nur mit hohem technischen Aufwand möglich gewesen, und selbst dann wäre es vermutlich schiefgegangen. Im Hörspiel müssen wir uns dagegen auf unser Gehör verlassen – wie Gwen zwischenzeitlich auch, mit anderen Worten, Hörer und Protagonist sitzen im gleichen Boot, wodurch sich das Hörspiel sehr viel direkter als sonst anfühlt. Made You Look ist kein Staffelfinale, in dem ein Handlungsbogen zu Ende gebracht wurde oder das gar im Bombast versinkt, sondern es ist vielmehr ein Zwischenstop, bevor es mit der 3. Staffel weitergeht.

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