The Kingmaker
The Kingmaker ist eindeutig eines meiner liebsten Big-Finish-Hörspiele. Es ist nämlich nicht nur erstaunlich tiefgründig und dabei trotzdem schreiend komisch, sondern es ist auch eine einzige Anspielung auf den 9. Doctor.
Der Doctor muss aufgrund vertraglicher Pflichten das Rätsel um die Prinzen im Tower lösen. Dabei wird er von Peri und Erimem getrennt, die ebenfalls in die Affäre verwickelt werden.1
Aus Lizenzgründen dürfen in den Hörspielen von Big Finish nur die klassischen Doctoren vorkommen. Um nicht in lizenztechnische Schwulitäten zu kommen, darf der 9. Doctor also nicht direkt dargestellt werden. In The Kingmaker kriegt trotzdem jeder mit, wer bei diversen Anspielungen gemeint ist: Stephen Beckett, der Richard III. spielt, hört sich auffällig nach Christopher Eccleston an und darf sogar an einer Stelle fantastic
sagen – das kann kein Zufall sein – und mein liebster northern chap with big ears
hat sozusagen hintenrum einen Gastauftritt. Das ist jedoch beileibe nicht das einzige Mal, dass man selbstbezüglich wird, denn die klassische Serie wird ebenso reichlich mit Anspielungen bedacht.
Natürlich kann The Kingmaker seine Genialität nicht nur aus den Anspielungen beziehen. Sämliche Nebenfiguren sind charakterlich sehr detailliert ausgearbeitet und machen wahnsinnig viel Spaß2, allen voran der herrlich humorlose Richard III. Die Dialoge können in Sachen Zitierwürdigkeit problemlos mit den Moffat'schen Episoden der Fernsehserie mithalten. Durch den Einsatz von mehreren Zeitebenen muss man ein wenig mehr aufpassen als bei den linear erzählten Hörspielen, aber dadurch wird The Kingmaker nur noch besser. Das eigentliche Thema von The Kingmaker sind Schicksalsergebenheit und ethische Probleme, die sich durch Zeitreisen (nicht nur des Doctors, sondern von zu Zeitreisen fähigen Individuen allgemein) ergeben. Gut und Böse werden dabei nicht in schwarz-weiß gemalt, sondern in einem kräftigem dunkelgrau, wodurch die hypothetische Altersfreigabe des Hörspiels ein wenig nach oben rutscht.
Weshalb The Kingmaker so selten als Big-Finish-Klassiker genannt wird, ist mir völlig unverständlich – wahrscheinlich sind die Leute, die die Klassiker ernennen, ziemlich humorlose Gesellen. Ich kann für The Kingmaker guten Gewissens eine Kaufempfehlung aussprechen.
- Ein kurzer geschichtlicher Abriss: Richard III ist einer der berüchtigsten Könige Englands, nicht zuletzt dank Shakespeares Richard III, geschrieben in den 1590ern. Richard stammt aus dem Hause York, das in den Rosenkriegen mit dem Haus Lancaster im Clinch lag und insgesamt drei englische Könige stellte. Dem Haus York folgten die Tudors als Könige nach, die mit dem Haus Lancaster verbandelt waren. Richard III hatte zwei Brüder, Edward IV (vor ihm König) und George, Duke of Clarence. Letzterer galt als ein Trinker und wurde 1478 von Edward wegen Verrats hingerichtet. Als Edward IV 1483 starb, wurde dessen Sohn Edward V noch als Kind König. Richard III setzte Edward V und dessen jüngeren Bruder Richard im Tower fest und erklärte sich zum rechtmäßigen König (Edward IV war in einer nicht standesgemäßen Ehe verheiratet, weshalb Richard III seine Neffen als illegitim betrachtete). Er ließ zur Machtsicherung etliche Verwandte der Mutter der Prinzen hinrichten, darunter seinen Schwippschwager Anthony Woodville, 2nd Earl Rivers. Die Prinzen im Tower (im Englischen ist dies ein feststehender Begriff geworden) sind unter ungeklärten Umständen vermutlich im Sommer 1483 umgekommen; es wird vielfach davon ausgegangen, dass Richard III sie ermorden ließ. Hierzu gibt es ein (vermutlich falsches) Geständnis von Sir James Tyrrell, einem Ritter aus dem Dunstkreis von Richard III. Jemand, dem ebenfalls unterstellt wird, die Prinzen umgebracht zu haben, ist Richards Vertrauter Henry Stafford, 2nd Duke of Buckingham. Er unterstützte zuerst den Aufstieg Richards, wechselte aber noch im Jahr 1483 die Seiten und unterstützte Henry Tudor, den späteren Henry VII (der als König die ältere Schwester der beiden Prinzen heiratete). Im November 1483 wurde Buckingham wegen Verrats hingerichtet. Richard III hielt sich bis 1485 an der Macht, als er in einer Schlacht gegen Henry Tudor starb (Battle of Bosworth Field).
[⇑] - Es gibt gewisse Unstimmigkeiten zwischen diesem Hörspiel und The Shakespeare Code, wo der 10. Doctor geradezu ein Shakespeare-Fanboy ist. Ich erkläre mir das mit einem Anfall von Altersmilde. [⇑]
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