Human Nature / The Family of Blood

Human Nature / The Family of Blood ist eine Folge, in der David Tennant die Gelegenheit hat, eine seiner besten Leistungen in Doctor Who abzuliefern. Außerdem ist sie eine wichtige Charakterfolge für den Doctor, in der seine Handlungsmuster hinterfragt werden. Gaststar in dieser famosen Episode ist Jessica Hynes (manch einem hoffentlich aus Spaced bekannt), die Joan Redfern darstellt. Wie bereits Dalek und (in eingeschränkterem Maße) Rise of the Cybermen / The Age of Steel ist auch Human Nature / The Family of Blood die Neubearbeitung einer Story mit einem früheren Doctor. Diesmal ist jedoch kein Hörspiel die Grundlage, sondern ein 1995 erschienenes Buch mit dem 7. Doctor, das ebenfalls Human Nature heißt1. Vorlage wie Remake sind von Paul Cornell geschrieben, auf dessen Konto z.B. auch Father's Day geht.

Der Doctor wird von der Family of Blood verfolgt. Um der Alien-Familie aus dem Weg zu gehen, versteckt er sich als Mensch in einem englischen Dorf im Jahr 1913.

Ich habe es bereits mehr als einmal geschrieben: Ich finde den Doctor dann besonders interessant, wenn seine gefährliche Seite zum Vorschein kommt. Unter anderem deshalb ist Human Nature / The Family of Blood, wo der 10. Doctor auf sehr düstere Weise portraitiert wird, eine meiner absoluten Lieblingsfolgen. Seine Fähigkeit zur Grausamkeit hatte sich immer wieder angedeutet; nun kommt sie voll zum Ausbruch. Der 9. Doctor hatte in Dalek zwar die Grenze zum blinden Hass fast überschritten, jedoch aus sehr persönlichen Gründen und nur dieses eine Mal – gerade in diesem Zusammenhang kriegt die Coward-Szene in The Family of Blood noch einen anderen Dreh. Der 10. Doctor schlägt dagegen über die Stränge, weil es ihm ums Prinzip geht, wohlwissend, dass er sich dabei extrem kaltherzig verhält. Gipfeln wird diese Selbstherrlichkeit in The Waters of Mars, wo er einen Aussetzer hat, der das Ende dieses Zweiteilers locker in den Schatten stellt. Die Wut des 11. Doctors nimmt sich dagegen fast schon harmlos aus, weil sie immer ein bisschen gegen ihn selbst gerichtet ist. Es wird jedoch nicht nur die Gnadenlosigkeit des 10. Doctors thematisiert, sondern auch seine Gedankenlosigkeit – er hat bei der Flucht nicht im Mindesten daran gedacht, dass Unbeteilgte zu Schaden kommen könnten, wenn die Family of Blood ihm doch auf die Schliche kommt. Das betrifft sowohl Joan und Martha, die auf persönlicher Ebene betroffen sind – Rassismus, Sexismus und Klassenunterschiede werden in diesem Zweiteiler mit einer für Doctor Who ungewohnten Deutlichkeit angesprochen – als auch die Menschen, die beim Angriff der Family of Blood ihr Heim verlieren, verletzt oder getötet werden.

Da der Doctor sich als John Smith versteckt, hat David Tennant in diesem Zweiteiler praktisch eine Doppelrolle. In diesem Zusammenhang am interessantesten ist sicherlich die Szene, in der John Smiths Persönlichkeit für einen kurzen Moment vom Doctor verdrängt wird, wo man am deutlichsten sieht, wie unterschiedlich Tennant den Doctor und John Smith darstellt. Er ist außerdem einer der Schauspieler, die sich trauen, richtig zu heulen, auch wenn das nicht mehr hübsch aussieht. Da der Doctor als Hauptfigur de facto wegfällt, bekommen die Nebenfiguren relativ viel Raum. Bei der Family of Blood sticht besonders der herrlich überzogen dargestellte Baines hervor, aber auch Jenny, um die es einem richtig leid tun kann, da sie eine ganz herzliche Person war. Tim Latimer, der bereits auf Baines Abschussliste stand, bevor der zu Son of Mine geworden ist, ist ein ganz goldiges, dennoch nicht zu unterschätzendes Kerlchen2. Unzweifelhaft die wichtigste Figur, um die sich für John Smith alles dreht, ist Joan, eine trotz widriger Umstände sehr starke Frauenfigur. Sie ist außerdem eine der wenigen Personen, die den Doctor in seine Schranken weisen. Angesichts der Tatsache, dass der Doctor Joans Enkelin in The End of Time besucht, kann man sogar davon ausgehen, dass ihre Worte nicht völlig ungehört verhallt sind.

  1. Das Buch gibt es bei der BBC als kostenlose pdf-Datei, mit einem kleinen Nachwort des Autors bezüglich der Adaption des Buches als Fernsehfolge. []
  2. Man mag es kaum glauben, aber Thomas Sangster, der Tim darstellt, war zum Zeitpunkt des Drehs bereits 16 (!) Jahre alt. []
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