Miracle Day

Nach Children of Earth wurde Torchwood nun doch weitergeführt. Diesmal ist die BBC nicht alleine verantwortlich, sondern es wurde der amerikanische Sender Starz mit ins Boot geholt. Miracle Day ist ein Zehnteiler mit durchgehender Handlung und hat ein geteiltes Echo mit einem hohen Anteil negativer Stimmen hervorgerufen. Die Erstausstrahlung erfolgte auf Starz, die BBC zeigte die Folgen 6 Tage später. Eine deutsche Ausstrahlung scheint für das Frühjahr 2012 geplant zu sein. Diese Auswertung ist eine Umarbeitung der provisorischen Auswertung – da ich mir nicht nochmal alle Einzelfolgen vergegenwärtigen möchte und die meisten Folgen ohnehin dieselben Probleme haben, erfolgt diesmal nur eine Gesamtauswertung der ganzen Staffel.

Wie erwähnt ist Miracle Day ein Zehnteiler. Die erste Episode dient der Einführung der neuen Figuren und macht eigentlich ganz gut Spaß, wenn sie auch nicht emotional mitreißen kann (was das Hauptproblem von Miracle Day ist). Die Folgen 2–4 werden von moralinsauren ethischen Diskussionen dominiert, die sich so oft wiederholen, dass ich mir langsam verarscht vorkam. Derweil weiß niemand vom erweiterten Torchwood-Team, was los ist und Rex und Esther stellen sich blöd an, was wiederum in vielen repetiven Handlungen resultiert, weil die Auswirkungen dieser Blödheit wieder ausgebadet werden müssen. Folge 2 ist außerdem ganz furchtbar vorhersehbar und über die Ver/Entgiftungsszene möchte ich lieber nichts sagen. Folge 3 ist die Episode, wo es großes Geschrei um die paar Sekunden gab, die aus den Sex-Szenen entfernt wurden – meinetwegen hätten die Sex-Szenen ganz wegfallen können, denn sowas hält im Allgemeinen die Handlung auf und dabei gibt es hier kaum Handlung, die überhaupt aufgehalten werden könnte. Im Lichte der Auflösung gesehen verrennt sich Miracle Day in diesen drei Episoden einfach in Nebenschauplätzen. Die Folgen 5 und 6 führen uns wieder ein bisschen Richtung der Handlung, die uns zur Auflösung bringt, verfolgen aber leider immer noch das Schema der vorherigen Folgen: Torchwood schwärmt aus/rennt sinnlos in der Gegend rum, es gibt langwierige und trockene Diskussionen und zum Schluss einen neuen Baustein fürs Miracle-Mosaik. Folge 7 bringt endlich etwas Hintergrund und ist durch die starke Fokussierung auf Jack und Gwen eine sehr ruhige und erfreulich gelungene Episode. Folge 8 bringt wieder viele Nebenfiguren und die in Teilen unterwanderte CIA ins Spiel. Dabei wird Allen Shapiro eingeführt, und ich muss sagen, der Mann rockt. Folge 9 kehrt zurück nach Wales (yeah!) und macht auch streckenweise durchaus Spaß, hat aber den großen Nachteil, dass wir die Aktionen des Maulwurfs in der CIA auf dem Silbertablett präsentiert bekommen, was einiges an potentieller Spannung herausnimmt. Die Auflösung in Folge 10 ist leider sehr enttäuschend, erst recht, nachdem ganze 9½ Folgen fürs Vorgeplänkel (Spannungsaufbau kann man das ja nicht nennen) verschwendet wurden. Eine echte Motivation außer irgendwelchen größenwahnsinnigen Phantasien, für die sich selbst die Cybermen oder der Master schämen würden, haben die Widersacher nicht. Einige weitere für mich besonders problematische Punkte habe ich hier aufgeführt (wegen der enormen Spoilerhaltigkeit in einer gesonderten Datei). Kurzum: Wenn man die Folgen 2 bis 4 und 5 bis 6 in jeweils eine Einzelepisode zusammengedampft hätte, hätte man immer noch genauso viel Handlung unterbringen können, Miracle Day würde aber immerhin im handlicheren britischen Serienformat vorliegen.

Das große Problem von Miracle Day ist die mangelnde Konsequenz. Das geht mit ganz kleinen Dingen los, wie Jack, der hier – wahrscheinlich der größeren Aufmerksamkeit wegen – plötzlich nur noch Bettgeschichten mit Männern hat, obwohl er doch speziesübergreifend pansexuell ist. Das geht damit weiter, dass unglaublich viele Figuren eingeführt werden, deren Entwicklung aber abrupt nicht weiterverfolgt wird, sobald sie ihre Pflicht getan haben. Genauso umstandslos wird mancher Erzählfaden fallen gelassen. Ganz krass sind auch die Inkonsistenzen bei den Auswirkungen des Wunders: Hauptfiguren können noch mit tödlichen Verletzungen rumrennen, Nebenfiguren sind dagegen mit ähnlich schweren Verletzungen bewusstlos. Ein großes Ärgernis ist die Inkompetenz von Rex und Esther. Nun ist nicht zu erwarten, dass sich Charaktere, die sich unverhofft in einer solchen Situation wiederfinden, schlagartig fehlerfrei verhalten, aber gleichzeitig sehen wir, wie Rhys und Andy (der wie schon so oft der Lichtblick in Torchwood ist) mit gesundem Menschenverstand erfolgreich sind, während Rex und Esther, die uns beide als Experten ihres Faches (Geheimdienst!) verkauft werden, Anfängerfehler machen, wie z.B. zu ignorieren, dass ständig die Möglichkeit besteht, dass sie überwacht werden. Es gelingt auch nicht, die Problematik des Wunders auf ein ganz emotionales Niveau zu holen, da zwar ad nauseam über die Auswirkungen des Wunders diskutiert wird, aber diese Auswirkungen nur ganz sporadisch wirklich gezeigt werden. Weiterhin wurde versprochen, dass auch Miracle Day ins Whoniversum eingebunden bliebe, aber die vielen Referenzen an frühere Torchwood-Staffeln und die Mutterserie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die etablierte Doctor-Who-Mythologie streckenweise gewaltig verdreht wurde – da wäre es mutiger und sinnvoller gewesen, einen Schnitt anzusetzen und die Verbindungen zur Mutterserie zu kappen.

Wie man anhand dieser Auswertung sicherlich merkt, hätte ich Miracle Day wahrscheinlich schon nach der zweiten Folge aufgegeben, wenn Torchwood nicht zum Whoniversum gehören würde. Die konstante Niveau-Steigerung, die Torchwood in den ersten drei Staffeln erfahren hat, fand hier jedenfalls ein schlagartiges Ende. Mit Miracle Day werde ich daher ähnlich verfahren wie mit dem Doctor-Who-Fernsehfilm: Ignorieren, soweit es die Einbindung ins Whoniversum zulässt. Rückblickend betrachtet wäre es schöner gewesen, wenn Children of Earth ein herausragender und würdiger Schlusspunkt für Torchwood hätte bleiben können.

Update: Die DVD-Box von Miracle Day kriegt angesichts der läppischen Extras allerorten vernichtende Kritiken. Am interessantesten scheinen die Audiokommentare von Julie Gardner und RTD zu der ersten und zehnten Folge zu sein, wo RTD dem Vernehmen nach durchblicken lässt, dass Miracle Day nicht ganz das geworden ist, was er sich vorgestellt hat.

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