Sherlock Holmes (Granada-Serie)

Da mich das Sherlock-Holmes-Virus vollständig erfasst hat, habe ich die Uni-Bibo nach Verfilmungen abgegrast und hab mich prompt in die klassische Granada-Verfilmung verliebt. Leider hat die Bibo nicht alle Staffeln, aber ich spare schon auf die Komplettbox.

Die Sherlock-Holmes-Verfilmung von Granada gilt gemeinhin als die der Vorlage treueste, und zwar völlig zu Recht: Die Fälle, die sich unbearbeitet ins Fernsehen übernehmen lassen, kann man regelrecht mitlesen. Wir haben hier sogar einen der seltenen Fälle, wo die Verfilmung noch besser ist als das Original: Dadurch, dass die Fälle in der Buchvorlage von Watson erzählt werden, fehlt nämlich der Außenblick auf die Freundschaft von Holmes und Watson und genau das stellt diese Serie so wunderbar dar.

Ins kollektive Gedächtnis derer, die Sherlock Holmes nicht in der Buchvorlage kennen, hat sich ausgerechnet die Filmreihe mit Basil Rathbone und Nigel Bruce eingegraben, was leider dafür sorgt, das viele Leute völlig falsche Vorstellungen von Holmes (man könnte das sehr schön anhand der deutschen Sherlock-Rezensionen diskutiert, die viel zu oft Fehlinformationen runterbeteten) und Watson (der für die meisten Leute das verblödete Anhängsel von Holmes ist) haben. Die Granada-Serie wird nun endlich beiden Charakteren gerecht: Holmes ist hier eben nicht vermeintlich gediegener Gentleman, sondern jemand, dem die sozialen Konventionen so egal sind, wie die damalige Zeit es zulässt (was uns als heutige Leser/Zuschauer – abgesehen von seinem Drogenkonsum, der in dieser Serie sehr offen angesprochen wird – nicht groß schocken kann, für die extrem steifen viktorianischen Verhältnisse aber doch einigermaßen unverschämt war), und Watson darf in dieser Verfilmung endlich intelligent sein.

Darsteller von Holmes ist Jeremy Brett, und man könnte meinen, Conan Doyle hat die Geschichten nur für ihn geschrieben. Leider ist Brett im Laufe der Serie ernsthaft krank geworden und früh gestorben. Watson wird in der ersten Staffel - oder den ersten zwei Staffeln, je nachdem, wie man zählt - von David Burke dargestellt, danach von Edward Hardicke. Der Darstellerwechsel erfolgte, weil Burke sich mehr dem Theater und dem Privatleben widmen wollte, aber dadurch dass dazwischen Holmes' verlängertes Sabbatjahr liegt, passt das auch wieder. Beide füllen Watson mit einer ganz großen Lebendigkeit an und man versteht, wieso die Holmes und Watson so dicke Freunde sind. Überhaupt sind die Interaktionen zwischen den beiden das, was den meisten Spaß an der ganzen Serie macht.

Wiederkehrende Figuren sind - natürlich - Mrs Hudson und Inspector Lestrade (hier übrigens mit langem ä-Laut ausgesprochen). Beide bleiben in der Buchvorlage hinreichend blass, dass sich die Verfilmung ein paar Freiheiten bei der Charaktergestaltung nehmen kann. Mrs Hudson ist, wie bei diesen beiden Herren zu erwarten, eine sehr resolute Haushälterin, die zwar manchmal etwas zu leiden hat, weil Holmes etwas anderes unter Ordnung versteht als sie, andererseits Holmes und Watson gerne mal bei ihren Plänen hilft, wenn sie die Gelegenheit dazu hat. Lestrade ist in den Büchern, wie praktisch alle Polizisten, inkompetent, worauf hier glücklicherweise verzichtet wird. Er zieht zwar manchmal voreilige Schlüsse, ist aber trotzdem intelligent - andernfalls könnte man kaum verstehen, dass Holmes in der Serie so gerne mit ihm zusammenarbeitet. Umgekehrt hat Lestrade großen Respekt vor Holmes' Fähigkeiten.

Mycroft kommt in dieser Serie natürlich ebenfalls vor. Die beiden Brüder haben ein gutes Verhältnis miteinander, obwohl es klar ist, das Sherlock Holmes der kleinere Bruder ist, der alles versucht, um nicht im Schatten von Mycroft zu stehen. Moriarty hat am Ende der zweiten Staffel seinen Auftritt. Ihm wird logischerweise eine größere aktive Rolle als in den Büchern eingestanden, wo er ja erkennbar kurzfristig und nachträglich reingeschrieben wurde. Hier kann er schon einen Fall vorher beim Strippenziehen beobachtet werden. Die Reichenbachfolge wurde tatsächlich in der Schweiz gedreht und für das Finale von The Final Problem wurden sogar zwei Stuntmen die Reichenbachfälle runtergeschubst.

In Deutschland wurde die Serie sehr lückenhaft ausgestrahlt. Die ersten zwei Staffeln - die hierzulande als eine einzige Staffel gezählt werden, da sie einen gemeinsamen Titel haben - wurden im DDR-Fernsehen ausgestrahlt, wobei aber die Szenen mit Holmes' Drogenmissbrauch nicht eingeschlossen wurden. Spätere Staffeln wurden im Westen ausgestrahlt und manche Staffeln auch überhaupt nicht.1 Dementsprechend ist die Synchro ein Flickenteppich. Die Staffeln wurden hierzulande in Boxen entsprechend der staffelübergreifenden Titel zusammengefasst und bei Koch Media veröffentlicht. Die synchronisierten Staffeln sind in der deutschen und der englischen Sprachfassung enthalten (bei Staffeln mit mehreren Synchronfassungen hat man die Wahl, welche man hören möchte), die unsynchronierten gibt es nur auf Englisch. Alle Staffeln haben deutsche Untertitel. Zusätzlich liegt jeweils ein sehr lesenswertes Heftchen mit Produktionsnotizen bei, das sich nicht nur in den üblichen Lobpreisungen ergeht. Andere Extras gibt es nicht, aber das ist in diesem Fall wirklich nicht nötig. Daneben wurden auch Folgen in Filmlänge gedreht, die hierzulande gesondert bei Polyband veröffentlicht wurden (mit ganz ganz furchtbaren DVD-Covern, beiden Sprachfassungen und vollkommen ohne UT). Es gibt auch eine Komplettbox der Staffeln, die Filme muss man dann aber immer noch extra kaufen. In Großbritannien kann man die Serie dagegen in einer wirklich kompletten Komplettbox kaufen, wobei ich annehme, dass auch dort die Produktionsnotizen beiliegen.

  1. Die Ausstrahlungsreihenfolge in der 1986er Staffel ist für die deutsche und die britische Fassung unterschiedlich. Auf der deutschen DVD sind die Folgen in der deutschen Ausstrahlungsreihenfolge angeordnet. []

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