Torchwood: 1. Staffel der Big-Finish-Hörspiele

Torchwood als Fernsehserie hatte unglücklicherweise kaum eine konsistente Qualität – in der ersten Staffel war von ein paar Perlen abgesehen viel Mist dabei, die zweite Staffel hatte zwar eine konsistente hohe Qualität, was jedoch nicht lange währte, weil dann Children of Earth kam, das zwar alle Zuschauer weggeblasen hat, aber leider auch Torchwood in seiner bisherigen Form ein Ende gesetzt hat. Danach gab es noch Miracle Day, was gegenüber Children of Earth deutlich abfällt und von einem guten Teil der Fans (einschließlich mir) überhaupt nicht gemocht wird. Nun sind sich alle Fans einig, dass Children of Earth ein in sich geschlossenes Meisterwerk ist, aber ebenso sind etliche Leute der Meinung, dass prä-CoE-Torchwood viel mehr hätte sein können – und dass es allgemein ein paar mehr Torchwood-Folgen hätte geben können. Zwischenzeitlich gab es immer wieder ein paar Torchwood-Hörspiele, aber die waren im großen und ganzen ein eher schwacher Abglanz der Fernsehserie und nach Miracle Day gab es einen zaghaften Versuch, die Serie in ein paar Hörbüchern fortzuschreiben, was jedoch langfristig im Sande verlaufen ist. Glücklicherweise hat Big Finish endlich eine Lizenz erhalten, die es erlaubt, New Who zu produzieren und zu referenzieren. Als erstes New-Who-Hörspiel wurde eine UNIT-Serie mit Kate Stewart angekündigt, aber Torchwood war das erste der New-Who-Hörspiele, das veröffentlicht wurde.

Torchwood ist eine Serie, die super zu Big Finish passt – und es bieten sich unglaublich viele Möglichkeiten für Torchwood-Hörspiele: Natürlich Lückenfüller, die in oder zwischen den Fernsehstaffeln spielen, eine Fortschreibung der Serie, die zur heutigen Zeit spielt, oder aber auch Hörspiele mit früheren Torchwood-Teams wie z.B. mit dem viktorianischen Torchwood. Ursprünglich war geplant, eine auf Miracle Day folgende Staffel zu produzieren, die wieder in Cardiff spielen sollte und für die ein neues Torchwood-Team zusammengestellt werden sollte. Aus Zeitnot seitens der Beteiligten bei Big Finish hat das nicht geklappt (auch wenn eine solche Staffel immer noch geplant ist), weshalb ein weniger personalintensives Format für die letztlich veröffentlichten Hörspiele gewählt wurde, in der jede Folge in Struktur und Handlung auf ein Teammitglied zugeschnitten ist. Die Folgen spielen an mehreren Punkten vor, während und nach der Fernsehserie.

Die erste Torchwood-Staffel bei Big Finish ist von konstant hoher Qualität, was sicherlich auch darin begründet ist, dass hier Leute am Werk sind, die viel Enthusiasmus für Torchwood an den Tag legen. Zwar gibt es mit dem Committee ein Element, das in fast allen Folgen im Hintergrund präsent ist, aber das ist nie aufdringlich und man kann die Folgen trotzdem wunderbar ohne Kenntnis der anderen Folgen hören. Wenn man nicht die ganze Staffel hören will, sollte man sich die Folgen anhand der Hauptpersonen bzw. nach Thema raussuchen. Meine beiden Lieblingsfolgen dürften More Than This und Fall to Earth sein, dicht gefolgt von den beiden Folgen mit Jack.

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The Conspiracy (Hauptfigur: Jack Harkness; Autor: David Llewellyn)

Jack heftet sich an die Fersen von einem bekannten Verschwörungstheoretiker, der behauptet, dass die Welt von Aliens, dem Committee, beherrscht wird. Dieses Aliens hätten praktisch alle historischen Ereignisse geplant, um die Menschheit ins Verderben zu führen. Das Problem: Jack weiß, dass die Verschwörungstheorie real ist, er weiß nur nicht, wieso ein Verschwörungstheoretiker dazu kommt, die Wahrheit zu verbreiten.

Im Vorfeld der Veröffentlichung von The Conspiracy hatte ich versucht, nicht zu vorfreudig zu sein, weil es ja hätte sein können, dass die ganze Sache schief geht oder einfach nur mittelmäßig ist. Die Befürchtung war unbegründet: Vom Stil her ist The Conspiracy eine Mischung aus echtem Hörspiel und Erzählung. Ich bin sonst kein großer Freund von Hörspielen mit Erzähler, aber Barrowman bringt das ganz locker rüber und es macht Spaß, ihm zuzuhören (beim Hören der Behind the Scenes drängt sich auch der Eindruck auf, dass Barrowman nicht mehr aufhört zu erzählen, wenn er einmal anfängt, über Torchwood zu referieren). Die Handlung macht sehr Lust auf die folgenden Hörspiele. Schon für für sich stehend ist The Conspiracy ein spannendes Hörspiel, aber es zeichnet sich ab, dass die ganze Serie sehr interessant werden wird.

Fall To Earth (Hauptfigur: Ianto Jones; Autor: James Goss)

Ianto hat sich an Bord eines kommerziellen Weltraumfluges geschlichen, weil er vermutet, dass dieser Flug sabotiert werden soll. Wurde er auch, weshalb der Raumgleiter nun abzustürzen droht. Mitten im Sturzflug wird Ianto aus einem Callcenter in der Türkei angerufen und die Callcenterdame möchte ihm Versicherungen aufschwatzen. Ianto schafft es, sie davon zu überzeugen, dass er sich in Lebensgefahr befindet und beide versuchen nun verzweifelt, den Absturz zu verhindern.

Auch das zweite Torchwood-Hörspiel macht alles richtig. Diesmal kommt es ohne Erzählung aus, stattdessen ist Fall to Earth ein in Echtzeit spielender Two-Hander. Dem Format entsprechend wird in diesem Hörspiel Iantos Charakter näher betrachtet, der, obwohl Publikumsliebling, bisher selten im Mittelpunkt stand. Außerdem ist Fall to Earth unglaublich witzig. Zeynep, die Callcenter-Angestellte, und Ianto verstärken sich in ihrem trockenen Humor gegenseitig und die beiden Darsteller schaffen es, ihren Dialog in genau dem richtigen Tonfall zu spielen. Ein paar kleine Erwähnungen der Torchwood-Folklore müssen natürlich auch sein, ob das Iantos Streben nach der perfekten Tasse Kaffee oder Myfanwy der Flugsaurier ist. Aber das passt und wirkt nie krampfhaft. Das Ende ist dann überraschend emotional – nicht tränendrüsig oder tragisch, sondern einfach nur emotional. In den letzten paar Minuten musste ich gar ein Tränchen der Erleichterung verdrücken. Man merkt dieser Folge auf jeden Fall den Enthusiasmus an, mit dem sie produziert wurde.

Forgotten Lives (Hauptfigur: Gwen Cooper; Autor: Emma Reeves)

Gwen und Rhys versuchen ein möglichst unauffälliges Leben zu leben – doch dann bekommen sie einen Anruf, der die beiden dazu bewegt, ein Altenheim für Demenzkranke zu untersuchen, in dem die Insassen immer wieder die Persönlichkeit wechseln.

Ganz so ein Knaller wie die vorherigen beiden Folgen ist Forgotten Lives nicht, aber es ist schön zu hören, mit welcher Begeisterung Eve Myles und Kai Owen zusammen Gwen und Rhys spielen. Die Hintergrundhandlung um das Committee wird weiter vorangetrieben1 und gleichzeitig werden die Grundlagen für eine potentielle Fortsetzung von Torchwood gelegt. Besonders erwähnt werden muss auch Seán Carlsen, der schon eine kleine Rolle in Sleeper gehabt hat und dem Big-Finish-Hörer durch Gallifrey bekannt ist. Er spielt den Heimleiter, der ein Gegenpol zu all dem Wahnsinn um die Aliens ist und der versucht, sich an der Normalität festzukrallen und der stolz auf seine Arbeit ist. Das passt wunderbar zu Gwen, die ihrerseits die Person ist, die in Torchwood am ehesten an die Auswirkungen auf das normale Leben denkt.

One Rule (Hauptfigur: Yvonne Hartmann; Autor: Joe Lidster)

Einige Wochen nach der 2005er Auton-Invasion: Yvonne Hartmann ist in Cardiff und versucht eine Gerätschaft aus dem Hub von Torchwood 3 zu klauen (sie traut Jacks Truppe selbstredend nicht über den Weg). Dabei wird sie in vermeintlich lokalpolitische Ereignisse verwickelt – der alte Bürgermeister ist während der Auton-Invasion getötet worden und nun versuchen die Bürgermeisterkandidaten sich gegenseitig auszustechen. Noch dazu ist ein Alien unterwegs, das schon mehrere Bürgermeisterkandidaten getötet hat. Yvonne möchte zwar liebend gern zurück nach London, aber obwohl sie Cardiff in dieser Nacht so richtig zu hassen lernt, hält sie es für sinnvoll, gegen das Alien vorzugehen.

One Rule gibt uns die Gelegenheit, eine Geschichte aus Yvonne Hartmanns Sicht zu erfahren. Und nebenbei macht sich One Rule darüber lustig, dass Cardiff eigentlich ein ziemliches Kaff ist mit zu hochgestochenen Ambitionen, verglichen mit London als "echter" Hauptstadt. Für sich genommen ist One Rule nicht herausragend, doch ist es durch den Perspektivwechsel eine reizvolle Ergänzung für eine von vornherein experimentell angelegte Staffel.

Uncanny Valley (Hauptfigur: Jack Harkness; Autor: David Llewellyn)

Jack ist immer noch dem Committee auf der Spur. Jetzt hat er einen Industriellen gefunden, der seine Aufträge von einem lebensechten Roboter-Duplikat absolvieren lässt, das aber nicht ausschließlich seinem Besitzer gehört.

Uncanny Valley hat das gleiche Format wie The Conspiracy – also lockere Erzählung von Jack verbunden mit einem Dialog mit einer anderen Figur. Beim zweiten Hörspiel in diesem Format muss man auch sagen, dass dieses Format sehr auf Jack passt, denn der erzählt ja gerne mal ein paar Räuberpistolen – und Barrowman steckt natürlich voll in der Materie drin und trifft genau den richtigen Ton dafür. Inhaltlich nutzt man diesmal in ein paar Szenen aus, dass Torchwood die erwachsene Schwesterserie zu Doctor Who ist, und so wie The Conspiracy ein beißender Kommentar zur Verschwörungstheorie-Industrie war, kann man auch in Uncanny Valley einiges an sozialem Kommentar reinlesen wenn man möchte. Außerdem lohnt es sich diesmal besonders, die Extras zu hören, denn da spricht John Barrowman mit schottischen Akzent (Vorsicht, Schmelzgefahr beim Zuhören!).

More Than This (Hauptfigur: Gwen Cooper; Autor: Guy Adams)

Gwen ist zu dem Entschluss gekommen, dass Torchwood wieder richtig aufgebaut werden muss. Für die Wiedererrichtung des Hubs braucht sie eine Baugenehmigung, was von einem Sachbearbeiter namens Roger Pugh verzögert, wenn nicht gar verhindert wird. Also sackt die Mr Pugh kurzerhand ein und nimmt ihn mit auf Alienjagd, um ihn zu überzeugen, dass Cardiff Torchwood braucht.

More Than This ist der krönende Abschluss einer äußerst gelungenen Staffel. Ich hatte schon bei meinem Eintrag zu Ghost Train geschrieben, dass ich ein Faible für Folgen habe, die Torchwoods Alltag porträtieren. More Than This hat das als Grundlage der gesamten Handlung, aber wie die besten Torchwood-Folgen im Fernsehen hat diese Folge auch einiges zur menschlichen Natur zu sagen. Dennoch ist diese Hörspiel über weite Teile wahnsinnig witzig, und von allen Hörspielen dieser Staffel fühlt sich More Than This durch seinen Mix von Witz und Emotionalität am ehesten wie Fernseh-Torchwood in seinen besten (prä-CoE-)Tagen an, zumal dieses Hörspiel die Torchwood-typische augenzwinkernde Provinzialität besitzt. Außerdem gibt es ein freudiges Wiedersehen mit Sergeant Andy Davidson, der anscheinend immer noch vollwertiges Torchwood-Mitglied werden möchte (dem Vernehmen nach hat Tom Price sehr darauf gedrängt, in den neuen Hörspielen mitzuspielen). Auch wenn die nächste Staffel weiterhin mit abgespeckter Besetzung arbeiten wird, die Grundlage für ein neues Torchwood-Institut in Cardiff ist mit More Than This gelegt.

  1. Ich habe mit Spannung drauf gewartet, wie Miracle Day in das Big-Finish-Universum integriert wird, denn Miracle Day widerspricht in nicht wenigen Aspekten der etablierten Doctor-Who-Mythologie. In Forgotten Lives wurde Miracle Day nur minimal angesprochen, und gleich wurde ein bisschen dran rumgedoktert, indem erklärt wurde, dass das Committee hinter den drei Familien steht. Sowas ist eine Einstellung zu Miracle Day, mit der ich leben kann. []
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