Classic Who – Sechste Staffel

Zum Ende der Ära des zweiten Doctors stehen die wichtigsten Eckpfeiler der Doctor-Who-Mythologie. Das Konzept der Regeneration wurde schon eher eingeführt und in der letzten Folge des Doctors wird erstmals das Volk des Doctors, die Time Lords, benannt.

Der zweite Doctor ist deutlich weniger grummelig als der erste Doctor. Er erweckt bewusst einen durch und durch harmlosen Eindruck, weshalb er leicht unterschätzt werden kann. Sein dienstältester Companion, der bei allen außer einer Folge dabei war, ist der Schotte Jamie. Er stieß in der Schlacht von Culloden in der (verlorenen) Folge The Highlanders zum TARDIS-Team. Jamie fehlt zwar das technische Verständnis für neumodische Errungenschaften, aber davon lässt er sich nicht unterkriegen. Er ist außerdem furchtbar liebenswert. Weiblichen Companions gegenüber entwickelt er einen Beschützerinstinkt, der zwar oft gar nicht nötig ist, Jamie aber umso liebenswerter macht. Neben Jamie hat der 2. Doctor noch einige andere Companions. In der fünften Staffel ist Zoe zweiter Companion, die vom Doctor im 21. Jahrhundert aufgegabelt wurde. Sie tut sich vor allem durch ihre Intelligenz und ihr exzellentes Gedächtnis hervor. Beide Companions werden in The War Games wieder in ihre Zeit zurückgeschickt und ihre Erinnerungen an den Doctor werden gelöscht.

Insgesamt bewegt sich diese Staffel wieder ein bisschen weg von den base-under-siege-Szenarien, allerdings ist es auch gerade die 6. Staffel, die besonders gezeichnet ist von Produktionsproblemen. Dies ist die einzige Staffel des zweiten Doctors, in der die Mehrzahl der Folgen vollständig vorliegt. Insbesondere bei The War Games ist das ein wahrer Glücksfall, da dieser Zehnteiler zum besten zählt, was Doctor Who zu bieten hat. Der andere große Klassiker der Ära des zweiten Doctors, The Invasion, liegt dagegen nur teilweise vor. Diese Staffel bietet außerdem mit The Mind Robber das vermutlich abgedrehteste Doctor-Who-Serial überhaupt.

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The Dominators (5 Teile; Drehbuch: Mervyn Haisman, Henry Lincoln; Regie: Morris Barry)

Um mal ein bisschen zu entspannen nach all den Gefahren in letzter Zeit, landet der Doctor die TARDIS auf einem Planeten, der von extrem friedliebenden Volk bewohnt wird – so friedliebend, dass sie nicht einmal wissen, was zu tun ist, als die Dominators auftauchen und drohen, den Planeten zu unterjochen.

The Dominators ist eine Folge voller verpasster Möglichkeiten. Die Handlung dümpelt eher ziellos vor sich hin, mit sinnlosem Hin- und Hergerenne, eher unmotivierten Invasoren und viel zu niedlich geratenen Styroporkommoden, äh, Monstern. Hinter den Kulissen gab es große Probleme, denn die Autoren haben sich mit den Produzenten verkracht – das Serial wurde kurz vor knapp von sechs auf fünf Teile gekürzt, weshalb die fünfte Folge ohne Wissen der Autoren umgeschrieben wurde. Weitere Unstimmigkeiten bezüglich der Vermarktung der Quarks sorgten dafür, dass sich Haisman und Lincoln weigerten, zukünftige Folgen für Doctor Who zu schreiben, was vielleicht auch besser war.1

Die DVD hat neben üblichen Extras keine weiteren aufwändigen Sachen zu bieten. Sehr amüsant ist aber ein kleiner Einblick in die Pressestimmen der damaligen Zeit.

The Mind Robber (5 Teile à 20 Minuten; Drehbuch: Peter Ling, Derrick Sherwin; Regie: David Maloney)

Die TARDIS-Besatzung landet in einem Land außerhalb der Realität.

The Mind Robber ist gleich noch so ein Serial mit Produktionsproblemen: Die erste Folge musste aus dem Nichts heraus kurz vor knapp geschrieben werden und in der zweiten Folge musste Frazer Hines wegen Krankheit ersetzt werden. Das wirkt sich jedoch gar nicht negativ aus, im Gegenteil. The Mind Robber ist nämlich zwar komplett abgedreht, aber auch sehr spannend (und Jamie ist mal wieder extreeeeem zum knuddeln). Die Umsetzung ist genauso phantasievoll, wie es die Handlung fordert – die erste Episode im absoluten Nichts ist geradezu beeindruckend und die restlichen Episoden profitieren ebenfalls vom Setting im Land der Fiktion. Einzig die Proportionen vom Buchstabenwald hauen nicht ganz hin, aber das wird ausgeglichen durch das schicke Einhorn.

Zusätzlich zu den Standard-Extras – darunter ein interessantes Making-Of – findet sich auf dieser DVD ein sehr aufschlussreiches Interview mit Frazer Hines über Jamie.

The Invasion (8 Teile (1 und 4 fehlen); Drehbuch: Derrick Sherwin, Kit Pedler; Regie: Douglas Camfield)

Der Doctor und seine Companions stoßen auf die Firma International Electromatics, deren Chefs Tobias Vaughn im Bunde mit den Cybermen ist. Zusammen mit der kürzlich gegründeten United Nations Intelligence Taskforce2, kurz UNIT, muss der Doctor die bevorstehende Invasion verhindern.

Theoretisch ist The Invasion eine Cybermen-Folge. Praktisch stiehlt ihnen jedoch UNIT die Schau, woran auch die ikonischen Einstellungen mit den Cybermen, die aus den Gullis heraussteigen und dann die Treppe vor St Paul's Cathedral herunterlaufen, nichts ändern können.

Cybermen auf den Treppen zur Themse vor St Paul's Cathedral Eine Einstellung, wie sie in dieser Art heute nicht mehr 1:1 nachzustellen ist: Die Cybermen laufen aus Richtung St Paul's kommend zur Themse herunter. (Heute steht an dieser Stelle der Aufgang zur Millenium Bridge.)

Den Brigadier haben wir schon in The Web of Fear kennengelernt. Von diesem und ein paar weiteren Rückgriffen auf das Vorgänger-Serial abgesehen bereitet The Invasion den Weg für viele zukünftige Entwicklungen in Doctor Who: Es gibt viele Außenaufnahmen, die Studioaufnahmen wurden nicht mehr strikt chronologisch gedreht, die Episodenzahl pro Staffel wurde beginnend mit dieser Folge heruntergefahren und mit der Einführung von UNIT wurde das Setting der Ära des dritten Doctors vorbereitet. Das Serial ist mit 8 Folgen zwar das dritt- oder viertlängste Doctor-Who-Serial überhaupt (je nachdem, ob man The Trial of a Time Lord als ein Serial oder als 4 Serials zählt), aber das stört eigentlich gar nicht – die Handlung wird bis zum (späten) Auftreten der Cybermen geruhsam aufgebaut und die Spannung wird bis zur letzten Folge gehalten. Es hilft natürlich sehr, dass UNIT und vor allem der Brigadier einfach rocken (auch wenn es ungewohnt ist, UNIT in schwarz-weiß zu sehen) und dass das britische Verteidigungsministerium echte Soldaten als Statisten und militärisches Großgerät für den Dreh zur Verfügung gestellt hat. Isobel als companionartige Gastfigur ist ebenfalls eine Bereicherung – vor allem ist sie nicht nur ein plot device auf zwei Beinen, sondern besitzt einen ausformulierten Charakter.

Die fehlenden Episoden liegen als animierte Rekonstruktion vor – mein Tässchen Tee ist diese Art der Animation nicht, weshalb ich es vorgezogen habe, die betroffenen Episoden als Hörspiel zu hören. Wegen der Länge des Serials sind die Folgen auf zwei DVDs verteilt, was gleichzeitig mehr Platz für Extras bedeutet. Neben einem 50-minütigem Making-Of gibt es eine kleine Doku über die Herstellung der Rekonstruktion, eine Würdigung derjenigen Fans, die in den 60ern die Tonspuren der Folgen mitgeschnitten haben (und damit ermöglicht haben, dass wir die verlorenen Folgen heutzutage überhaupt noch anhören können) und die Einspieler für die VHS-Veröffentlichung in den 90ern, in denen Nicholas Courtney die Ereignisse in den verlorenen Folgen zusammenfasst.

The Krotons (4 Teile; Drehbuch: Robert Holmes; Regie: David Maloney)

Die TARDIS landet auf einem Planeten, auf dem die Bevölkerung, die Gonds, von den Krotons beherrscht wird.

Die sechste Staffel ist gezeichnet von Folgen, die nicht so ganz das sind, was sie hätten werden sollen. The Krotons ist eigentlich eine Ersatz-Folge (und man kann wirklich froh sein, dass die ursprünglich vorgesehene Folge nicht produziert wurde) und die namensgebenden Krotons sind, vorwiegend aus Geldgründen, nicht das geworden, was sich der Autor eigentlich vorgestellt hat. Dieses Serial ist zwar nicht gerade brilliant, aber auch nicht schlecht – The Krotons ist ganz gut anzusehen, aber halt auch nichts, was man sich immer wieder ankucken möchte. Highlight von The Krotons ist Philip Madoc, der diese Staffel auch noch in The War Games zu sehen ist und der einfach alles spielen kann. Jamie ist auch wieder niedlich in dieser Folge, vor allem in der Laborszene.

Bei den Extras gehen der BBC wahrscheinlich langsam die Ideen aus, was man denn noch für Dokus machen könnte. Von der Produktion sind diesmal keine Aufnahmen vorhanden, deshalb gibt es nur zwei große Extras: Eine Zusammenfassung der ersten Hälfte der Troughton-Ära und ein älteres Interview mit Frazer Hines über Jamie, das aber weniger interessant ist als das Interview auf der Mind-Robber-DVD.

The Seeds of Death (6 Teile; Drehbuch: Brian Hayles, Terrance Dicks; Regie: Michael Ferguson)

Der Transport auf der Erde findet in mittelferner Zukunft nur noch per T-Mat statt (einer Art Beamen). Die Ice Warriors nutzen das aus, indem sie die Hauptstation auf dem Mond einnehmen und von dort tödliche Sporenpakete auf die Erde senden.

Irgendwie ist diese Folge sehr, sehr farblos – ich habe nämlich schon kurze Zeit später Mühe, mich an die Handlung zu erinnern. Die Ice Warriors sind in diesem Serial eindeutig zu inkompetent, um eine Invasion auf die Beine zu stellen und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, sind die Kulissen wackelig und die Kostüme der Ice Warriors einfach nur schlecht (der Chef der Ice Warriors sieht aus wie ein Cousin von Lord Helmchen). Am ehesten erinnnerungswürdig sind die Unmengen Schaum, die in diesem Serial verbraucht wurden, und die Anfangssequenzen mit Mond und Erde, die ganz klassische Science-Fiction sind. Zugute halten muss man dem Serial, dass der menschliche Bösewicht diesmal kein Irrer ist, sondern jemand, der einfach nur seine Haut retten will.

Die Extras zu The Seeds of Death bestehen überwiegend aus zahlreichen Interviews mit Zeitzeugen.

The Space Pirates (6 Teile (1 und 3–6 fehlen); Drehbuch: Robert Holmes; Regie: Michael Hart)

Die TARDIS landet auf einem Raumschiff, dass gerade von Piraten in die Luft gesprengt wird.

Ein Serial, das mir sehr gut gefällt. Die Handlung bleibt konsistent spannend und die Verwicklungen, die sich entspinnen, wirken nie so, als ob sie nur dazu da wären, das Serial auf 6 Folgen zu verlängern.

Es ist sehr schade, dass dies eine Folge ist, von der nicht mehr alle Folgen auf Video vorliegen, denn wie man in der einen erhaltenen Folge sehen kann, ist die Modellarbeit sehr gut gelungen – die Raumschiffmodelle sehen sogar besser aus als in vielen anderen gleichaltrigen Serien.

The War Games (10 Teile; Drehbuch: Malcolm Hulke, Terrance Dicks; Regie: David Maloney)

Die TARDIS landet auf einem Planeten, auf dem eine Alienrasse verschiedene Kriege der Menschheitsgeschichte nachstellt.

The War Games ist eine sehr tolle Folge und zudem durch den ersten Auftritt der Time Lords historisch bedeutsam. Als Zehnteiler ist dies zwar eines der längsten Doctor-Who-Serials überhaupt, wird jedoch in keinem Moment langweilig. Das liegt z.B. an den sehr guten Gastschauspielern3, allen voran Philip Madoc als War Lord und Edward Brayshaw als War Chief, der wie der Doctor ein abtrünniger Time Lord ist. Zudem hat man sich – im Gegensatz zu manch anderen Folgen, die dem damaligen Stand der Technik hinterherhinken – bei den Effekten nicht lumpen lassen und selbst die unvermeidliche Hin-und-Her-Rennerei ist vergleichsweise plausibel erklärt.

War Chief
Der War Chief. Ein Time Lord mit so einem Bart muss eine prä-Delgado-Inkarnation des Masters sein.

Die Time Lords sind in diesem Serial verknöcherte, von ihrer eigenen Macht überzeugte Bürokraten, die keinen besonders guten Eindruck hinterlassen. In dieser Hinsicht ist auch das Gespräch zwischen dem Doctor und dem War Chief über ihre Gründe Gallifrey zu verlassen, sehr aufschlussreich und eines der Highlights des Serials. Der kalte, abrupte Auftritt der Time-Lord-Gesandtschaft macht den Abschied von diesem wunderbaren TARDIS-Team umso schmerzhafter, zumal unklar ist, ob Jamie überhaupt eine Chance hat, seine Rückkehr ins Jahr 1746 zu überleben. Für den 2. Doctor ist The War Games in jedem Falle ein sehr würdiger Abschied, und ich bin sicher nicht allein, wenn ich sage, dass ich gerne mehr vom 2. Doctor und Jamie gesehen hätte.

Entsprechend der Bedeutung des Serials ist die DVD-Box überreich mit Extras ausgestattet – auf zwei DVDs mit Episoden kommt eine DVD randvoll mit Extras – es gibt Interviews mit Zeitzeugen (sowohl über die Entstehung von The War Games als auch über die Schwarz-Weiß-Ära von Doctor Who allgemein), eine kleine Geschichtsstunde über die erwähnten Kriege und sogar ein paar Setfotos in Farbe.

Season 6B

Der zweite Doctor taucht nach The War Games noch in The Three Doctors, The Five Doctors und The Two Doctors auf. In diesen drei Folgen gibt es einige Schnitzer bezüglich der Doctor-Who-Kontinuität. Am besten wegerklärt werden können diese Ungereimtheiten mit der Season-6B-Theorie. Explizit innerhalb dieses Zeitraums spielt das Buch World Game von Terrance Dicks und Teile von Players, ebenfalls von Uncle Terry, sowie das Hörspiel Helicon Prime.

Aus der Perspektive des Doctors gestaltet sich diese virtuelle Staffel aller Wahrscheinlichkeit nach folgendermaßen: Der Doctor überzeugt sich persönlich, dass Lt Carstairs und Lady Jennifer unbeschadet im 1. Weltkrieg abgeliefert wurden (Players, ein Buch, das verdientermaßen für das 50. Jubiläum wiederveröffentlicht wurde), wobei er entdeckt, dass da was nicht mit rechten Dingen zugeht. Er bekommt von der Celestial Intervention Agency ein Angebot: Wenn er für die CIA arbeitet, wird seine Todesstrafe in ein Exil auf der Erde umgewandelt. Als ersten Auftrag untersucht er die Machenschaften der Players – die genau die Ungereimtheiten verursachen, die dem Doctor bei seinem Besuch im 1. Weltkrieg aufgefallen sind. Die CIA merkt, dass der Doctor einfach besser mit Companions arbeitet, weshalb sie ihm nun Jamie an die Seite stellen, der erzählt kriegt, dass Victoria gerade Graphologie studiert (World Game, aka das Buch, in dem das psychic paper vorkommt – dieses Buch fällt merklich gegenüber Players ab, nicht zuletzt deshalb, weil Jamie in diesem Buch lediglich auf den letzten paar Seiten erwähnt wird; außerdem wiederholt sich die Handlung zu oft). In seinem nächsten Auftrag soll der Doctor Vorkommnisse auf der Raumstation Chimera untersuchen (The Two Doctors). Nicht lange danach verschlägt es den Doctor in das Luxusresort Helicon Prime (ein eher halbgares Companion Chronicle von Big Finish). Als nächstes hilft der Doctor – jetzt wieder alleine – das Universum vor Omega zu retten (The Three Doctors). Zuletzt fällt er einem Plot von Borusa zum Opfer (The Five Doctors). Schließlich und endlich sorgen die Time Lords dafür, dass er all das vergisst und verfrachten ihn auf die Erde, nachdem er in den 3. Doctor regeneriert ist.

  1. Ursprünglich hätte es ein drittes Yeti-Serial geben sollen, das anstelle von The War Games das Staffelende gewesen wäre. Zwar hätte das ein weniger herzzerreißendes Ende für Jamie bedeutet, aber ich wage zu bezweifeln, dass Haisman und Lincoln in dieser dritten Yeti-Folge plötzlich mit einer Motivation für die Great Intelligence um die Ecke gekommen wären. []
  2. In der neuen Serie wurde UNIT, angeblich auf Beschwerde der UN hin, in Unified Intelligence Taskforce umbenannt. []
  3. Vermeintliche Ausländer waren zwar schon damals keine Muttersprachler, verfügten aber eindeutig über bessere Fremdsprachenkenntnisse als heutzutage. []
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Doctor Who Unbound: Sympathy for the Devil

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