Torchwood – die Hörspiele

Von Torchwood gibt es nicht nur die Fernsehfolgen, sondern u.a. auch einige von BBC Radio 4 produzierte Hörspiele. Als erstes Hörspiel wurde Lost Souls im September 2008 veröffentlicht, das nach dem Ende der zweiten Staffel spielt. Weil dieses Hörspiel anscheinend recht erfolgreich war, hat man beschlossen, Sommer 2009 drei weitere Hörspiele nachzuschieben, die vor der dritten Staffel spielen. Eine weitere Ausstrahlung von Hörspielen findet vor Miracle Day statt, innerhalb der Serienchronologie spielen diese Hörspiele jedoch wie die anderen Hörspiele zwischen der 2. Staffel und Children of Earth. Für den deutschen Fan haben die Hörspiele den Vorteil, dass man ohne größeren Aufwand die Originalstimmen der Schauspieler hören kann – die Radiosendungen der BBC sind im Gegensatz zu den Fernsehsendungen auch von außerhalb des UK frei zugänglich.

Die Auswertungen der Hörspiele habe ich der Übersicht halber nach Ausstrahlungsjahren sortiert:

  • 2008: Lost Souls
  • 2009: Asylum, Golden Age und The Dead Line
  • 2011 (The Lost Files): The Devil and Miss Carew, Submission und The House of the Dead
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2008

Lost Souls (Joseph Lidster)

Torchwood wird von Martha, die sich gerade im CERN befindet, zu Hilfe gerufen, denn dort geschehen seltsame Dinge, als der LHC eingeweiht werden soll 1. Deshalb reisen Jack, Gwen und Ianto (nachdem sie ein Weevil im Meer vor Cardiff versenkt haben) in die Schweiz, um undercover zu ermitteln. Anscheinend werden die Mitarbeiter, die sich im Tunnel befinden, von Geistern geliebter Verstorbener heimgesucht.

Lost Souls wurde zum sogenannten Big Bang Day zur Feier der Einweihung des LHC ausgestrahlt. Eigentlich ist das Hörspiel ein 45-minütiger Werbeblock für den LHC2 – macht aber nichts, macht trotzdem Spaß, denn Lost Souls strotzt vor Anspielungen auf Doctor Who und die Protagonisten sind hier (im Gegensatz zur ersten Staffel von Torchwood) höchst sympathisch. Die Leute beim CERN haben Berater entsandt, die das Script auf wissenschaftliche Fehler gecheckt haben. Trotzdem muss man als wissenschaftlich interessierter Mensch an manchen Stellen das ein oder andere Auge zudrücken – das Monster und dessen Aktionen lassen sich schlichtweg nicht mit heutiger Physik erklären. Handwerklich ist das Hörspiel sehr gelungen, die eingesetzten Hintergrundgeräusche sorgen problemlos dafür, dass die Handlungsorte vor dem geistigen Auge entstehen. Ich hätte es allerdings gerne gesehen, wenn das Hörspiel noch länger wäre. Da nur 45 Minuten zur Verfügung stehen, muss die Handlung etwas arg schnell heruntergebrochen werden. Zumindest kann man festhalten, dass Torchwood auch super als Hörspiel funktioniert.

2009

Asylum (Anita Sullivan)

Eine junge Frau unbekannter Herkunft strandet in Cardiff. Aufgrund ihres seltsamen Verhaltens nach einem Ladendiebstahl alarmiert Gwens Ex-Kollege Andy Torchwood. Gemeinsam versuchen sie nun herauszufinden, was es mit der heimatlosen jungen Frau auf sich hat.

Wo Lost Souls zu viel Handlung in zu wenig Zeit unterbringen wollte, zieht sich Asylum wie ein warmer Käse. Zu meiner Freude gibt es zwar die volle Packung Andy, der endlich über die wahre Natur von Torchwood aufgeklärt wird und das ganze mit vergleichsweise viel Fassung trägt. Das Kernteam von Torchwood hat mich dagegen eher enttäuscht. Gwen bekommt sehr viel Platz eingeräumt, nur dummerweise bin ich nicht gerade ein Fan von ihr. Jack ist so unsympathisch wie in der ersten Staffel und Ianto ist nahezu komplett humorlos. Schade, ich dachte, man hätte diese Zeiten hinter sich gelassen. Asylum fehlt es deshalb ziemlich an dem Dialogwitz, der einen nicht unerheblichen Teil des Charmes von Lost Souls ausgemacht hat. Stattdessen agiert Team Torchwood etwas lustlos, so als wollten sie möglichst zum Tee wieder zu Hause sein. Ich vermute mal, dass ich dieses Hörspiel dank der laschen Handlung und der mäßig spannenden Darbietung bald wieder vergessen haben werde.

Golden Age (James Goss)

Jack, Gwen und Ianto halten sich in Indien auf, um das Verschwinden etlicher Einwohner von Delhi zu untersuchen. Dabei landen sie unverhofft in der indischen Zweigstelle von Torchwood, die Jack eigentlich in den 20er Jahren geschlossen hat. Zu seiner Überraschung brummt Torchwood Indien vor Leben und wird wie damals immer noch von seiner Verflossenen, der Duchess, geleitet. Bald wird klar, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der Menschen und dem scheinbar zeitlosen Dasein in Torchwoods Anwesen gibt.

Der zweite Auslandseinsatz von Torchwood macht deutlich mehr Spaß als Asylum. Die Story ist zwar ab etwa ab der Hälfte der Zeit recht vorhersehbar, wird aber dafür sehr gut aufgebaut und ohne Hektik dargebracht. Jack, Gwen und Ianto sind wieder wesentlich angenehmer charakterisiert als in Asylum und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Man hätte vielleicht die Geschichte von Torchwood Indien noch näher beleuchten können, zumal Jack und die Duchess eine gemeinsame Vergangenheit haben. Andererseits ist die Länge bzw. Kürze von 45 Minuten angebracht, da ich mir sicher bin, dass die Arroganz der Duchess über längere Zeit nervtötend sein könnte. Alles in allem also ein sehr kurzweiliges Vergnügen, wenn auch mit kleinen Abstrichen.

The Dead Line (Phil Ford)

In Cardiff sind mehrere Menschen in eine Art Trance gefallen, nachdem sie einen Telefonanruf unbekannter Herkunft erhalten haben – auch Jack ist davon betroffen. Während Ianto sich zusammen mit einer alten Freundin von Jack um die Betroffenen kümmert, versucht Gwen mit Hilfe von Rhys den Fall aufzuklären.

Einfach nur schön. The Dead Line kann sich problemlos mit den besseren Fernsehfolgen messen und auch mit der Länge von 45 Minuten bin ich hier wirklich glücklich. Die Handlung bleibt bis zum Ende spannend und nutzt die vorhandene Zeit wunderbar aus. Das Hörspiel kann aber nicht nur bei der Handlung punkten, sondern auch bei der Charakterisierung der Figuren. Nachdem die vorherigen beiden Hörspiele jeweils auf Gwen bzw. auf Jack fokussiert waren, wird diesmal Ianto viel Raum eingeräumt. Jack ist die meiste Zeit des Hörspieles außer Gefecht gesetzt, weil er angesichts seiner Unsterblichkeit zu leichtsinnig war und unbedingt einen der gefährlichen Telefonanrufe annehmen musste (geschieht ihm auch mal recht). Diese Szenerie wird genutzt, um die Beziehung von Jack und Ianto zu beleuchten. Eigentlich sind die beiden ja ein völlig unwahrscheinliches Paar, aber Iantos Verhalten, als Jack komatös ist, zeigt sehr schön, was das Besondere an der Beziehung der beiden ist. Ich wage mal zu behaupten, dass in diesem Hörspiel der bis dato schönste Jack/Ianto-Moment der ganzen Serie vorkommt. Daneben bekommt auch Rhys etliche gute Szenen. Angesichts der akuten Personalprobleme von Torchwood beschränkt er sich nicht nur auf die geistig-moralische Unterstützung seiner Frau, sondern greift Gwen tatkräftig unter die Arme und ist dabei auch noch knuffig wie immer. Weiterhin lernen wir erneut eine Person aus Jacks Vergangenheit kennen, die in diesem Fall aber sehr nett ist und das Team gut unterstützt. All die ganzen Charaktermomente sind aber auch deshalb so herrlich, weil die Darsteller hier durch die Bank toll schauspielern. Nach diesem Hörgenuss hoffe ich, dass es in Zukunft noch mehr Torchwood-Hörspiele gibt.

2011 (The Lost Files)

The Devil and Miss Carew (Rupert Laight)

Eine außerirdische Lebensform hat sich in den Shipping Forecast eingeschlichen und spannt Teile der Hörerschaft für seine Zwecke ein.

Ach ist das schön, wieder ein bisschen was aus der heilen Welt vor Children of Earth zu hören. Spannung will allerdings nicht so richtig aufkommen und es ist (nicht zuletzt dank der vorab veröffentlichten Episodenbeschreibung) schon von Anfang an klar, worauf das Hörspiel hinausläuft. Auf der technischen Seite gibt es ebenfalls ein paar kleine Mängel, vor allem die Musik und teilweise die Soundeffekte sind nämlich zu laut geraten, was die Hörbarkeit erschwert bzw. die Szenen etwas unnatürlich klingen lässt. Momentan überwiegt bei mir jedoch die Wiederhörensfreude, denn das 45-Minuten-Standalone-Format hat auch was.

Submission (Ryan Scott)

Auf der ganzen Welt nehmen die Menschen ein rätselhaftes Geräusch in Meer wahr. Torchwood lokalisiert die Quelle des Geräusches im Marianengraben.

Submission ist deutlich interessanter als The Devil and Miss Carew. Das liegt an zwei Dingen: Zum einen taucht eine alte Flamme von Ianto auf und zum anderen ist das Alien ganz faszinierend. Anfangs bemüht man sich sogar, einem gewissen Bildungsauftrag nachzukommen – ob später die Szenen unter Wasser alle wissenschaftlich einwandfrei sind, wage ich dagegen zu bezweifeln. Submission zündet zwar nicht so richtig, aber zum zwischendurch mal kurz hören macht es sich trotzdem gut.

The House of the Dead (James Goss)

Ein Pub, in dem es spukt, wie nirgendwo anders, soll geschlossen werden. Zum Abschluss soll eine Séance gehalten werden.

Das ist doch schon ein ganz anderes Kaliber als die beiden vorherigen Hörspiele. Da hohe Niveau, das man von den Klassikern unter den Doctor-Who-Hörspielen gewohnt ist, wird zwar auch hier nicht erreicht, The House of the Dead bietet jedoch endlich eine Story, die spannend und nicht vorhersehbar ist. Ich bin zwar mit der Darstellung mancher Sachen in diesem Hörspiel nicht ganz glücklich – für alle, die das Hörspiel gehört haben: hier klicken (wer das Hörspiel nicht gehört hat und trotzdem klickt, möge auf der Stelle vom Blitz erschlagen werden!); für alle anderen: genauer kann ich das nicht formulieren, weil das sonst ein wahnsinnig riesiger Spoiler wäre –, aber das Ende haut auf jeden Fall rein.

Da die Hörspiele in der Lücke zwischen der zweiten und dritten Torchwood-Staffel spielen, werden manche Entwicklungen aus den Hörspielen in Children of Earth fortgesetzt. Dies betrifft neben der Darstellung der Beziehungen von Gwen und Rhys bzw. Jack und Ianto v.a. die Trauer um Tosh und Owen, die Aufklärung von Andy über die wirkliche Arbeit von Torchwood und Rhys' stärkere Einbeziehung in die Fälle. Es ergeben sich aber keinerlei Verständnisprobleme, wenn man Children of Earth ohne Kenntnis der Hörspiele ansieht, zumal die neuesten Hörspiele ohnehin nachträglich produziert wurden.

Bislang gibt es keine Hörspiele, die später als 2009 spielen. Ein bissen fortgesetzt wird Torchwood aber in Hörbüchern – Army of One, Fallout, Red Skies und Mr Invincible, die nach Miracle Day spielen und von Autoren aus dem Doctor-Who-Dunstkreis geschrieben sind. Sie verfügen daher auch wieder über das gewisse Torchwood-Feeling, das Miracle Day so gefehlt hat. Die Hörbücher bewegen sich weg vom üblichen Monster-of-the-Week-Schema der normalen Torchwood-Bücher und beziehen sich aufeinander. Unter den gegenwärtigen Umständen muss man hiermit Vorlieb nehmen, aber es besteht ein kleines bisschen Hoffnung auf zukünftige Torchwood-Hörspiele: Big Finish jat in seiner großen Nutzerumfrage danach gefragt, ob man Torchwood-Hörspiele (und New-Who-Hörspiele!) hören wollte – die Idee steht also zumindest im Raum.

  1. Die Ursache für die unerklärlichen Geschehnisse sind keine schwarze Löcher, die sich irgendwie im LHC gebildet hätten. []
  2. Die Technik vom LHC ist sehr beeindruckend *weitaushol*. Im Tunnel liegt ein Vakuum mit etwa 1,1×10-13 bar an (also noch eine Zehnerpotenz weniger als ein Billionstel des normalen Luftdrucks, der bei etwas über 1 bar liegt), damit Kollisionen mit Gasteilchen aus der Luft verhindert werden. Außerdem werden die Magneten in einem mehrstufigen, wochenlangen Prozess mit auf 1,9 K (-271,25 °C) gekühlt. Die Magneten werden durch die Kühlung supraleitend, können also den Strom ohne Widerstand leiten – der Strom fließt im Spulendraht quasi verlustfrei über sehr lange Zeit umher. Superfluides Helium, welches im letzten Kühlungsschritt genutzt wird, ist wiederum auch spannend, das hat nämlich die normalen Eigenschaften einer Flüssigkeit verloren, es kann z.B. Wände hochkriechen (man möge auf Youtube nach superfluid helium suchen).
    Beim CERN hat man eine sehr lesenswerte Broschüre über den LHC verfasst. Aktuelle Nachrichten und noch viel mehr (z.B. der aktuelle Kühlstatus und der Arbeitsplan) werden auf der Internetpräsenz des LHC veröffentlicht. []
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