The Waters of Mars

The Waters of Mars leitet endgültig den Abschied des 10. Doctors ein. Dabei werden mit einer bisher ungekannten Eindringlichkeit die Schattenseiten des Doctors gezeigt. Die lockere Stimmung der beiden vorherigen Specials ist nahezu komplett vergessen. Stattdessen bietet The Waters of Mars eine düstere Grundstimmung, eine Handlung, die auf wenige Personen und einen einzelnen Schauplatz begrenzt ist, und David Tennant in Höchstform.

Der Doctor macht einen Ausflug auf den Mars. Er muss allerdings feststellen, dass er genau an dem Tag dort gelandet ist, an dem die erste Marsbasis der Menschheit aus unbekannten Gründen gesprengt werden musste. Dieses Ereignis ist ein fester Punkt in der Zeit, weshalb der Doctor am Geschehen nichts ändern darf.

Der Anfang der Episode ist noch witzig1 und auch über die restliche Stunde verteilt finden sich Elemente, die dafür sorgen, dass die zuschauenden Kinder ihren Spaß haben dürften. Wo sich die Kleinen vor den Wasserzombies gruseln können, bekommen wir Erwachsenen dagegen bald ganz andere Sachen zum Fürchten. The Waters of Mars ist nämlich entgegen der Ankündigungen weniger gruselig als viel mehr tragisch und erschreckend.

Der Knackpunkt von The Waters of Mars ist, dass die Ereignisse in der Bowie Base One2 für die weitere Entwicklung der Zeit so wichtig sind, dass sie auf jeden Fall unverändert bleiben müssen. Das bedeutet, dass von vornherein feststeht, dass am Ende alle Beteiligten außer dem Doctor tot sein müssen – die BBC hat in dieser Hinsicht in den Trailern schön den Teufel an die Wand gemalt. Der Doctor kann das Leid dieser Menschen kaum ertragen und entscheidet sich wider besseres Wissen zur Rettung der verbliebenen Überlebenden – jedoch nicht mehr aus Menschlichkeit, sondern um sich damit selbst etwas zu beweisen. Davor ist er für große Teile der Episode nur Zaungast, macht dabei aber eine charakterliche Entwicklung durch, die sich gewaschen hat. Vor allem wird deutlich, wie sehr der Doctor Companions braucht, denn er macht den Geretteten (und immerhin in einem Moment der Erkenntnis auch sich selbst) mit seinem Verhalten gewaltig Angst. Gleichzeitig dürfte er damit den Punkt überschritten haben, an dem überhaupt noch jemand mit ihm mitreisen will.

weiter…

Am interessantesten fand ich Doctor Who bisher immer, wenn der Doctor an seine Grenzen gerät (wie in Midnight) oder wenn er eine gefährliche Seite an den Tag legt (Paradebeispiel hierfür: Human Nature / The Family of Blood). In The Waters of Mars ist der Doctor nun hilflos und gefährlich. Über eine ganze Staffel möchte ich einen dermaßen verzweifelten, gefährlichen Doctor nicht sehen, die Specials bieten indes den perfekten Rahmen, die dunklen Seiten des Doctors in angemessenem Umfang zu beleuchten. Für Doctor-Who-Verhältnisse ist der Aussetzer des Doctors starker Tobak, so herablassend wie hier hat sich der 10. Doctor bisher noch nie verhalten. Er freut sich nicht einmal mehr über das Überleben von drei Menschen, stattdessen fordert er sogar Dank für die Rettung ein. Auch den Wasser-Zombies gegenüber ist er ausgesprochen unbarmherzig3. Im Allgemeinen hatte er bis dato Mitleid mit Kreaturen, die für ihre Böswilligkeit nichts konnten, obwohl es natürlich unvermeidlich war, sie trotzdem unschädlich zu machen. Der 10. Doctor hinterlässt mittlerweile den Eindruck, dass er mit dem Verlust der Time Lords inzwischen noch weniger klarkommt als der 9. Doctor. Während letzterer außerdem seiner Regeneration relativ gelassen entgegen blickte, hat der 10. Doctor aufgrund seiner Vorahnungen eine regelrechte Todesangst.

The Waters of Mars ist der vorläufige Höhepunkt einer logischen Entwicklung, in der sich der Doctor in eine ganz gefährliche Richtung bewegt. Aus diesem Grund gibt es in in diesem Special etliche mehr oder weniger konkrete Anspielungen und Rückgriffe auf vergangene Folgen. Schon länger deuteten sich dunklere Charakterzüge des 10. Doctors an, auch hat der 10. Doctor schon vor The Waters of Mars bewusst in der Zeit rumgepfuscht. Bereits in seinem Einstand The Christmas Invasion setzte er seinen Willen ohne Rücksicht auf Verluste durch, indem er Harriet Jones stürzte. Das ist eine Staffel später auf ihn zurückgefallen, denn dadurch konnte der Master a.k.a. Harold Saxon problemlos Premierminister werden. In The Family of Blood legte der Doctor eine bis dahin ungekannte Skrupellosigkeit an den Tag, nachdem seine Geduld gründlich überspannt worden war. Forest of the Dead zeigt schließlich, wie berüchtigt der Doctor mancherorts inzwischen ist. Explizit in The Waters of Mars erwähnt werden die Ereignisse aus The Fires of Pompeii. Dort war der Doctor während des Vulkanausbruchs (ebenfalls ein fester Punkt in der Zeit) in einer ganz ähnlichen Situation, nur dass ihm damals noch Donna zur Seite stand. In Adelaides letzter Szene zitiert sie indirekt aus The Voyage of the Damned. Einer der wenigen Überlebenden jener Episode sagt dort angesichts eines anderen, herzlosen Überlebenden: But if you could choose, Doctor, if you decide who lives and who dies, that would make you a monster4.

Von David Tennant ist man insbesondere bei den Charakterfolgen für den Doctor sowieso ein hohes Niveau gewohnt, aber hier legt er nochmal ein Schippchen drauf – ohne diese beeindruckende Darstellung der Wandlung des Doctors wäre The Waters of Mars wahrscheinlich weit weniger fesselnd. Adelaide Brooke, dargestellt von der fabelhaften Lindsay Duncan, erweist sich als würdiger Kurzzeitcompanion. Die Dialogszenen zwischen dem Doctor und Adelaide sind äußerst bewegend und Adelaide bietet dem Doctor auch dann noch die Stirn, als er ihr längst unheimlich geworden ist. Letztenendes ist es Adelaide zu verdanken, dass der Doctor am Schluss wenigstens halbwegs wieder zu Sinnen kommt. Auch die restlichen Charaktere sind so angelegt, dass man sie schnell liebgewinnt. Die Todes- bzw. genaugenommen Mutationsszenen können einen deshalb ziemlich mitnehmen, vor allem da man dem Vordringen des Virus in Form von Wasser nur hilflos zusehen kann – auch hier gilt wieder, dass die einfachsten Effekte oft die erschreckendsten sind5.

Bekanntermaßen bringt RTD gerne liebgewonnene Charaktere um, und in The Waters of Mars geht er sogar noch einen Schritt weiter: Obwohl man den mutierten Besatzungsmitgliedern ein anderes Schicksal gewünscht hätte, soll man am Ende verstehen, dass das Überleben der drei Besatzungsmitgliedern grundfalsch ist. In gewissem Sinne wird damit das Moffat'sche Everybody Lives (oder in diesem Fall passender at least somebody lives) ad absurdum geführt, weil man sich gar nicht so richtig für die Geretteten freuen kann.

Zum Ende seiner Zeit als Hauptverantwortlicher für Doctor Who scheint RTD zunehmend auf bisherige Empfindlichkeiten zu scheißen. In Children of Earth hat er schon Jack zugrunde gerichtet und nun muss der Doctor ebenfalls dran glauben. Dank der erwähnten Torchwood-Staffel war man immerhin ein bisschen vorgewarnt, in welch düstere Richtung sich Doctor Who dieses Jahr entwickeln kann. Angesichts der beiden Perlen, die Children of Earth und The Waters of Mars sind, frage ich mich allerdings, wieso RTD nicht schon viel eher solche Knallerfolgen geschrieben hat – wenn man mir nach The Next Doctor gesagt hätte, dass ich einmal froh sein werde, dass uns RTD immerhin in Torchwood erhalten bleiben wird, hätte ich mindestens laut gelacht.

  1. Frisch aus der Erde gezogene Karotten sind nie und nimmer so sauber! []
  2. Benamst wurde die Station nach David Bowie, der einen Song namens Life on Mars geschrieben hat. Danach wurde auch schon eine Fernsehserie benannt, in der John Simm die Hauptrolle spielt. []
  3. Water and electricity – bad mix sag ich auch immer, aber da meine ich Elektrochemie und nicht Zombies. []
  4. Ich wage zu behaupten, dass Donna in den Augen des Doctors momentan auch unter little people fallen würde, sofern er sie nicht schon kennen würde. []
  5. Einfach im Sinne von wenig CGI. Die technische Umsetzung beim Dreh war dagegen ziemlich schwierig. []
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