Blackpool

Blackpool ist eine herrliche britische Miniserie, die Krimi, Musical, Drama, Romanze, Komödie und vermutlich noch einiges mehr in sich vereint. Die Hauptfiguren sind Ripley Holden, dargestellt von David Morrissey, seine Frau Natalie Holden (Sarah Parish) und DI Peter Carlisle (David Tennant) – vor die Namen der drei Schauspieler kann man problemlos jeweils ein "fabelhaft" schreiben. Handlungsort ist das britische Seebad Blackpool1. Das Grundgerüst der Story ist schnell erzählt:

In Ripleys Casino Family Entertainment Centre wird eine Leiche gefunden. Zur Aufklärung des Falles reist DI Carlisle aus Schottland an und verliebt sich in Natalie, was gewisse Auswirkungen auf die Ermittlungen hat.

Der Mord dient lediglich dazu, die handelnden Personen zusammenzuführen, stattdessen steht die Demontage des bisherigen Lebens von Ripley im Mittelpunkt. Und bevor ich mir den Mund fusselig rede, gibts hier erstmal ein äußerst überzeugendes Argument dafür, dass man Blackpool einfach lieben muss2.

Update: Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar. Es wird zwar der gleiche Inhalt immer wieder neu eingestellt, aber leider auch meist recht schnell gesperrt, sodass ich kaum hinterherkomme, gerade zugängliche Videos rauszusuchen. Der geneigte Leser möge deshalb selber nach "Blackpool Should I stay or should I go" suchen und hoffen, dass ein brauchbares Resultat kommt.

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Blackpool ist voller Highlights. Zum einen sind alle Figuren zwar voller Fehler, aber auch (bis auf den Buchhalter) alle sehr liebenswert. Zum anderen sind die Musiknummern, bei denen die Schauspieler zur normalen Musikaufnahme mitsingen, sehr liebevoll gestaltet, sodass man an ihnen auch dann Gefallen finden kann, wenn man das Lied eigentlich nicht mag (Folge 5 hat mich sogar dazu gebracht, endlich ein Album von Queen zu kaufen). Etwas problematisch für Nicht-Muttersprachler ist, dass die Schauspieler hier in ihren eigenen Dialekten sprechen dürfen; gerade David Tennant ist manchmal so schwierig zu verstehen, dass ich die Untertitel eingeschaltet hab.

Zu Beginn der Serie erscheint die Familie Holden noch als Musterfamilie – Vattern ist erfolgreich, Muttern ist glückliche Hausfrau (sie wird von DC Blythe als the perfect trophy wife beschrieben), und die Kinder scheinen wohlerzogen zu sein. Bald jedoch bröckelt die Fassade: Ripley hat sich mit dem Casino an der Promenade übernommen, um seine Ehe steht es nicht so gut, wie es nach außen den Anschein hat, seine Tochter Shyanne will einen Mann heiraten, der mit Ripley zur Schule ging und Sohn Danny betätigt sich als Kleinkrimineller. Als die Leiche gefunden wird, nimmt DI Carlisle mit seinem Assistenten DC Blythe Ripleys Umfeld unter die Lupe und lernt dabei Natalie Holden kennen. Beide zeigen sofort Interesse füreinander und verabreden sich schon bald. Natalie blüht in ihrer Affäre regelrecht auf, während Ripley sein Leben nach und nach völlig entgleitet: Wegen ihres Freundes verkracht er sich mit seiner Tochter, der er eigentlich sehr nahe steht, und gleichzeitig dringt er kaum noch zu seinem Sohn durch, den er ohnehin nie verstanden hat. Da Danny im Mordfall einer der Verdächtigen ist, verstrickt Ripley sich in Widersprüche beim Versuch, seinen Sohn zu schützen. Dass er sich damit selbst immer verdächtiger macht, kommt Carlisle natürlich mehr als gelegen. Am Ende steht Ripley vor einem Trümmerhaufen, macht aber seinen Frieden mit der Welt. Der Mordfall wird offiziell zwar nicht geklärt, der Zuschauer erfährt trotzdem den Mörder.

Von allen Figuren macht Ripley sicherlich den größten Wandel durch, doch es lohnt auch, die Nebenfiguren zu betrachten: Da gibt z.B. es den bibelfesten Antiglücksspielaktivisten, der später sogar eine Art seelische Stütze für Ripley wird, die Hure, der sowohl Ripley als auch Danny sehr vertrauen und die Angestellten und Dauergäste des Casinos, deren Leben man eigentlich als gescheitert bezeichnen müsste, aber trotzdem muss man sie einfach lieb haben. Wie bei seiner Familie erkennt Ripley auch bei seinen Freunden (die gleichzeitig seine Gesellschafter sind) sehr spät, wieviel sie ihm bedeuten.

Carlisle ist in mehrfacher Hinsicht ein Gegenentwurf zu Ripley. Zeigt Ripley zuerst vor allem seine rüpelhafte Seite und erst danach Herz, so erscheint Carlisle zunächst äußerst charmant, doch nach und nach kommen auch unschöne Charakterzüge zum Vorschein. Dass er Natalie gegenüber anfangs verschweigt, dass er Polizist ist und gegen Natalies Mann ermittelt, kann man noch verstehen – obwohl Natalie damit nicht nur zwischen zwei Männern steht, die sie beide liebt, sondern die sie auch beide anlügen. Carlisle versucht mit zusehends drastischeren Methoden, Ripley den Mord anzuhängen. Hierbei wird er aber von Blythe zurückgepfiffen, der ziemlich schnell mitbekommt, wo der Hase läuft. Fungiert er in den ersten Folgen noch vorwiegend als Carlisles bisweilen etwas nerviges Anhängsel, so übernimmt er mehr und mehr das Ruder bei den Ermittlungen, da Carlisle allmählich seine Prinzipien vergisst. Interessant an Carlisle ist, dass man seinen Gemütszustand an seiner Ernährung ablesen kann: Er zeigt einen ausgeprägten Hang zu Süßem und Fettigem, doch nach dem ersten Krach mit Natalie steigt er auf eine Kaffeediät um.3

Blackpool hat auch noch eine nicht halb so geniale Fortsetzung namens Viva Blackpool bekommen4. Weil sie nun mal in der Box vorhanden ist, noch ein paar kurze Worte dazu: Das beste an Viva Blackpool ist David Morrissey, obwohl er hier nicht so furios spielt wie in Blackpool. Der Ripley hier hat mit dem Ripley da charakterlich aber nur sehr wenig zu tun. Die Story ist lieblos hingeschludert und wird gleichzeitig in einem wahnsinnigem Tempo runtergehetzt. Die Figuren sind im Gegensatz zu Blackpool fast durchweg unsympathisch und die Musiknummern wirken leider sehr gezwungen. Man kann sich bei Viva Blackpool durchaus amüsieren, aber richtig genießen konnte ich es nicht. Immerhin gibt es zum Ende hin eine Steigerung, da ein paar mehr Gefühle aufgefahren werden in dieser sonst doch recht emotionslosen Angelegenheit.

Zum Schluss gibts noch eine Musiknummer, diesmal aus der zweiten Folge von Blackpool. Wie man merkt, ist die Welt für die Beteiligten hier noch weitestgehend in Ordnung, während sich in der fünften Folge, aus der das erste Video stammt, alle Figuren richtig tief in die Scheiße geritten haben.

  1. Es ist anzunehmen, dass sich der Imagegewinn für die Stadt Blackpool durch diese Serie in engen Grenzen hält. Blackpool wird nämlich als eher ungemütlicher Ort voller zweifelhafter Vergnügungsmöglichkeiten und Bewohner dargestellt. []
  2. Der tiefere Sinn der dargestellten Hausdurchsuchung erschließt mir nicht, vermutlich dient sie einzig dazu, Ripley zu nerven. []
  3. Witzigerweise läuft Carlisle in einer Szene vor der Doctor-Who-Ausstellung lang. Womöglich hat man sich hierbei einen kleinen Scherz erlaubt, ich bin jetzt aber zu faul, zu recherchieren, inwiefern zum Zeitpunkt des Drehs schon klar war, dass David Tennant den 10. Doctor spielt. Überhaupt zeigt Blackpool eine hohe Dichte an Schauspielern, die man auch bei Doctor Who sehen kann. Sarah Parish stellt in The Runaway Bride die Racnoss-Königin dar, David Morrissey spielt in The Next Doctor eine tragende Rolle, Steve Pemberton (hier der Buchhalter) kann man im Moffat-Zweiteiler der 4. Staffel sehen und Bryan Dick (DC Blythe) spielt immerhin noch Adam in der gleichnamigen Torchwood-Folge. []
  4. Außerhalb von Großbritannien läuft auch die Serie Blackpool manchmal unter dem Titel Viva Blackpool. Man muss also immer darauf achten, ob man den 6-Teiler oder den Fernsehfilm vor sich hat. []

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