State of Play

State of Play ist ein Fest für den Fan von britischen Serien, da hier eine erstaunliche Anzahl toller Schauspieler versammelt ist, denen man zur Not auch völlig ohne Handlung zukucken könnte1. Im Kern ist State of Play ein Polit-Thriller, die Serie ist jedoch thematisch so breit gefächert, dass man sie auch dann lieben kann, wenn man mit dem Genre eigentlich nicht viel anfangen kann.

Ausgangspunkt sind zwei nahezu gleichzeitig stattfindende Morde: Sonia Baker, eine Mitarbeiterin des Parlamentariers Stephen Collins (David Morrissey) wird unter die U-Bahn gestoßen, kurz darauf wird der Kleinkriminelle Kelvin Stagg erschossen. Aufgrund einiger Ungereimtheiten erregt dieser Fall die Aufmerksamkeit einer Zeitung, deren Reporter versuchen, die Hintergründe des Doppelmordes aufzudecken.

State of Play ist pure Genialität umgesetzt in Serienform. Im Mittelpunkt steht das Reporterteam um Cal McCaffrey (John Simm) und dessen Arbeit. Die Handlung selbst findet auf mehreren Ebenen statt, die alle miteinander verwoben sind. Es gibt eine Krimihandlung, ein Komplott von Öl-Lobbyisten, das nach Aufklärung verlangt, und drumrum die persönliche Entwicklung der Hauptfiguren, da das Privatleben der Beteiligten nicht verschont wird – das hört sich jetzt zwar alles ganz trocken an, ist aber wunderbar durchdacht und extrem spannend. Die Handlung führt keineswegs gerade zum Ziel, sondern geht in den 6 Stunden, die zur Verfügung stehen, viele Neben- und Irrwege, ohne sich dabei jemals zu verrennen oder langweilig zu werden2. Es wird ein großes Arsenal von Nebenfiguren eingeführt, die ebenso wie die Hauptfiguren vielschichtig gezeichnet und, wie erwähnt, durch die Bank toll dargestellt sind – selbst wenn man die mitwirkenden Schauspieler vorher noch nicht gemocht hat, so muss man sie nach Genuss dieser Serie für ihr Können lieben.

In State of Play gibt es ständig Szenen, bei denen man denkt, dass das jetzt die schönste Szene überhaupt war – und dann kommt die nächste Szene, die sogar noch besser ist. Die Interaktion zwischen John Simm und Philip Glenister (als DCI, der die Mordfälle untersucht) lässt schon erahnen, was für ein tolles Team die beiden in Life on Mars bilden werden. Simm und Morrissey als zwei voneinander entfremdete Freunde sind absolut verehrungswürdig und insbesondere ihre letzte gemeinsame Szene ist wahnsinnig toll gespielt. Marc Warren, den ich bisher nur in sympathischen Rollen kannte, macht auch in paranoid Spaß und Bill Nighy als Chefredakteur war eine große positive Überraschung für mich.

Die Auflösung von State of Play ist ziemlich antiklimatisch. Die Puzzlesteine fallen alle fein säuberlich zusammen, aber der große Knall, auf den man 6 Folgen lang hingearbeitet hat, bleibt absichtlich aus. Das passt zur düsteren Grundstimmung der Serie, in der alle Figuren irgendwie Dreck am Stecken haben und man gar nicht mehr erwartet, dass sich irgendjemand moralisch einwandfrei verhält. So geht das Leben am Ende eben weiter, ohne dass die Welt verbessert wurde.

Wegen der vielen bekannten Namen war State of Play ein Blindkauf für mich. Die Serie wurde zwar schon in Deutschland ausgestrahlt, allerdings unter dem abschreckenden Namen Mord auf Seite Eins3. Wer über genügende Englischkenntnisse verfügt, sollte unbedingt zur britischen DVD greifen, da die deutsche Box wie so oft im vorauseilenden Gehorsam von der BBC gekürzt wurde, was bei dieser Serie nicht bloß blöd, sondern ein Verbrechen ist. Außerdem gibt es einen auf der Serie basierenden gleichnamigen Film, wobei ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie man die komplexe Serienhandlung auf 2 Stunden zusammendampfen kann.

  1. Der obligatorische Doctor-Who-Check: John Simm (der soundsovielte Master in Utopia, The Sound of Drums / Last of the Time Lords und The End of Time), David Morrissey (The Next Doctor), Bill Nighy (Vincent and the Doctor), Marc Warren (Love & Monsters), Rebekah Staton (Human Nature / The Family of Blood), Sean Gilder (The Christmas Invasion), Deborah Findlay (Children of Earth) und von Philip Glenister hat immerhin noch der große Bruder in einer klassischen Folge mitgespielt (es wäre aber auch zu schön gewesen, wenn Philip Glenister einen kleinen Gastauftritt in The End of Time bekommen hätte). []
  2. Ich hatte damals den Fehler gemacht, die erste Folge von State of Play um 10 Uhr abends zu kucken. Nach drei Folgen war es dementsprechend nachts um eins, und da ich den folgenden Tag früh raus musste, konnte ich nicht gleich weiterkucken. Deshalb ein guter Rat: Am besten gleich 6 Stunden einplanen, damit man die Serie in einem Rutsch kucken kann. []
  3. Ich fordere eine grundlegende Reform der Ausbildung zum Titelausdenker und -Übersetzer. []

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