Classic Who – Zweite Staffel

Doctor Who hatte anfangs sehr gegen die Skepsis der BBC-Oberen zu kämpfen. Nachdem die Serie in der ersten Staffel nur stückchenweise verlängert wurde, stand jetzt erstmal fest, dass Doctor Who so schnell nicht mehr weggeht.

Die ursprüngliche TARDIS-Besatzung besteht aus dem ersten Doctor (William Hartnell), seiner Enkelin Susan und den beiden Lehrern Ian Chesterton und Barbara Wright. Susan verlässt die TARDIS in The Dalek Invasion of Earth. Sie wird kurz darauf von der (ähnlich angelegten) Vicky ersetzt. Die letzte Folge von Ian und Barbara ist The Chase, worin die beiden einen wahrlich schönen Abschied kriegen; laut Aussage von Sarah Jane in Death of the Doctor haben sie nach ihrer Rückkehr auf die Erde geheiratet. In The Chase tritt als neuer Companion Steven Taylor auf.

Die zweite Staffel ist die bei weitem stärkste Staffel des 1. Doctors. Als erster Schritt zur Entwicklung der Doctor-Who-Mythologie sehen wir in dieser Staffel einen Artgenossen des Doctors. Die ursprüngliche Vorgabe, geschichtlich akkurate Historicals mit mehr oder weniger wissenschaftslastigen SF-Folgen abzuwechseln, wird so starr in dieser Staffel nicht mehr befolgt – The Romans ist der erste Bote dieser Entwicklung, die dazu führen wird, dass keine zwei Jahre später das letzte richtige Historical von Doctor Who gezeigt wird. Die zweite Staffel bietet zudem mit The Dalek Invasion of Earth unumstritten eines der besten Serials der klassischen Serie überhaupt.

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Planet of Giants (3 Teile; Drehbuch: Louis Marks; Regie: Mervyn Pinfield, Douglas Camfield)

Endlich schafft der Doctor es, im England der 1960er zu landen. Allerdings können Ian und Barbara trotzdem nicht nach Hause, denn ein Fehler der TARDIS beim Landen hat dafür gesorgt, dass die TARDIS-Besatzung auf Däumlingsgröße geschrumpft ist.

Planet of the Giants ist irgendwie so lala. Das Serial ist nicht schlecht und durchaus keins von der Sorte, das man bei einem Marathon auslassen würde, aber es passiert eigentlich nicht viel – zumal Planet of the Giants ziemlich unverhohlene Propaganda gegen Pestizideinsatz ist (zu einer Zeit, in der mit Pestiziden allerdings auch weitaus mehr Schaden als heute angerichtet wurde). Auf der Plusseite sind die Sets, besonders die vergrößerten Schauplätze, sehr gelungen.

Dieses Serial ist insofern interessant, dass es ursprünglich aus 4 Folgen bestehen sollte. Die ursprüngliche dritte und vierte Folge wurden zusammengeschnitten, nachdem die Entscheidung getroffen wurde, dass Planet of Giants als erste Folge der Staffel ein bisschen sehr behäbig ist. Auf der DVD wurden diese beiden Folgen als Extra wieder rekonstruiert.

The Dalek Invasion of Earth (6 Teile; Drehbuch: Terry Nation; Regie: Richard Martin)

Die TARDIS landet in London, das jedoch völlig verlassen ist: Die Daleks haben die Erde erobert und die Menschen zur Zwangsarbeit deportiert.

Zwischen The Daleks und The Dalek Invasion of Earth liegen Welten. Das geht schon mit Susans Entwicklung los: Sie wird in diesem Serial im Turbotempo erwachsen, wodurch ihre Kreischerei zum Ende hin immer weniger penetrant wird. Das Schreckensregime der Daleks und die Schwierigkeiten des Überlebens in dieser aufgelösten Gesellschaft werden in diesem Serial ausgesprochen schonungslos dargestellt. Dabei kann besonders Barbara beweisen, was sie drauf hat; sie erweist sich als wagemutig und durchsetzungsfähig. Zwar sind die Daleks heutzutage schwerer bewaffnet und angriffslustiger als die damaligen Daleks – die ausgesprochen lange rumbrüllen und drohen, bevor sie schießen und durch das ständige Hin- und Hergerolle fast schon hibbelig wirken1 – trotzdem wird eine so effektive Darstellung der Gefährlichkeit der Daleks in den späteren Folgen immer seltener erreicht.

Die ikonische Aufnahme der beschädigten Battersea Power Station (unterm Mouseover in der neuen Version).

The Dalek Invasion of Earth war die erste Doctor-Who-Folge, in der in größerem Maße Außenaufnahmen eingesetzt wurden (und es ist gleichzeitig das Serial, in dem die schöne Tradition der Großinvasionen in London begründet wird). Daher macht dieses Serial optisch einiges her, zumal einige Londoner Landmarken gezeigt werden. Beeindruckend, vor allem in Verbindung mit der eigens für dieses Serial geschriebenen Musik, sind besonders die Szenen im menschenleeren London und in der damals bereits 17 Jahre lang dem Verfall preisgegeben alten Wood Lane tube station.

Als eines der besten Serials der klassischen Serie ist The Dalek Invasion of Earth natürlich mit reichlich Extras versehen. Zum einen sind ein paar Effekte, für die es damals nicht ganz die technischen Möglichkeiten gab, gegen CGI-Effekte ausgetauscht, die man zuschalten kann (und die natürlich absichtlich in ihrer Bildqualität verschlechtert wurden, um optisch ins Serial zu passen). Zum anderen gibt es eine zweite DVD, die fast ausschließlich Interviews mit Zeitzeugen enthält. Es empfiehlt sich außerdem, am Anfang nicht den Urheberrechtshinweis zu überspringen – den lesen nämlich die Daleks höchstpersönlich vor.

The Rescue (2 Teile; Drehbuch: David Whitaker; Regie: Christopher Barry)

Die TARDIS landet auf einem Planeten, auf dem zwei verunglückte Raumfahrer von einem lokalen Monster names Koquillion terrorisiert werden.

The Rescue hat einzig den Zweck, Vicki als neuen Companion einzuführen – dementsprechend zieht sich der Rest der Handlung hin, trotz der Kürze des Serials. Zudem ist der Cliffhanger der ersten Folge ein heißer Kandidat für den Preis für den lahmsten Cliffhanger der gesamten Doctor-Who-Geschichte.

Die Extras fallen, obwohl bei zwei Folgen noch Platz sein müsste auf der DVD, nicht ganz unerwartet ziemlich schmal aus – abgesehen von einem 20-minütigen Making-Of gibt es nur den üblichen Kleinkram.

The Romans (4 Teile; Drehbuch: Dennis Spooner; Regie: Christopher Barry)

Die TARDIS ist in der Nähe von Rom gelandet, wo es sich der Doctor, Vicki, Ian und Barbara in einer leerstehenden Villa ziemlich gut gehen lassen – zumindest solange, bis der Doctor mit Vicki nach Rom reist, wo er in die Intrigen am Hofe Kaiser Neros verwickelt wird. Währenddessen werden Ian und Barbara von Sklavenhändlern gekidnapped und getrennt weiterverkauft.

Bisher waren die Historicals in Doctor Who alle bierernst. Wenn man es in The Romans auch so gehalten hätte, wäre das eine sehr betrübliche Angelegenheit geworden. Stattdessen hat man diese Folge in weiten Teilen zur Farce gemacht – Nero wird in diesem Serial als Lüstling, der jeglichen Bezug zur Realität verloren hat, dargestellt2. Nichtsdestotrotz werden Ians Szenen und die Szenen von Barbara, die nicht am Hofe Neros spielen, ernst gespielt, was sie durch diesen Kontrast umso wirkungsvoller macht. Im Gegensatz zu den bisherigen Historicals wird die historische Authentizität in gewissem Maße dem Plot geopfert, was sich letztenendes in praktisch allen in historischen Zeiten spielenden Folgen nach der Ära des ersten Doctors durchsetzen wird. Natürlich kann auch dieses Historical wieder davon profitieren, dass die BBC Kulissen und herausragende Kostüme vorrätig hatte.

Barbara und Ian in The Romans
The Romans ist so shippy in Bezug auf Ian und Barbara.

Von der Charakterentwicklung her ist The Romans eine sehr gelungene Episode. Der erste Doctor ist für Vicki ein Ersatzopa – das Verhältnis der beiden ist schnell enger als das von Susan und dem Doctor. Barbara und Ian haben am Anfang und am Ende des Serials ein paar schöne Szenen zusammen, in denen sie nichts zu tun haben außer liebenswert zu sein (nicht ganz unerwartet erfahren wir später in Death of the Doctor, dass die beiden nach ihren Reisen mit dem Doctor geheiratet haben).

The Romans wird zusammen mit The Rescue in einer Box verkauft, weil die beiden Folgen in einem Aufwasch produziert wurden. Wo The Rescue (völlig zu Recht) eher stiefmütterlich behandelt wurde, ist The Romans mit umso mehr Extras ausgestattet, worunter gleich mehrere Dokus sind, die mit dem Serial verbundene Aspekte beleuchten.

The Web Planet (6 Teile; Drehbuch: Bill Strutton; Regie: Richard Martin)

Der Doctor und seine Companions finden sich auf einem Planeten wieder, auf dem die höchstenwickelten Lebensformen insektoid sind. Dieser Planet wird von einer außerirdischen Lebensform beherrscht, die mithilfe der ameisenähnlichen Zarbi eine Terrorherrschaft aufgebaut hat.

The Web Planet, auch bekannt als das mit den Riesenameisen, ist einfach nur stinkelangweilig. Die legendär schlechten Kostüme waren noch nicht einmal so schlimm – gut, da fehlt dann schonmal einer Ameise ein Fühler –, vom optischen Standpunkt her ist der mit Wonne verwendete Linsenfilter viel schlimmer. Andererseits sieht man dann wenigstens nicht so viel von dem Elend. Außerdem kommen mir in diesem Serial die Studiofußböden besonders laut vor. Besser wird die ganze Angelegenheit auch nicht gerade dadurch, dass Jacqueline Hill in der dritten Folge Urlaub hatte.

The Crusade (4 Teile (2 und 4 fehlen); Drehbuch: David Whitaker; Regie: Douglas Camfield)

Die TARDIS landet in einem Wald in der Nähe von Jaffa während des 3. Kreuzzuges.

In der Ära des 1. Doctors gilt grundsätzlich, dass Historicals eine größere Chance haben, gut gemacht zu sein (Kostümschinken konnte die Beeb halt schon immer). Das bewahrheitet sich auch hier weitestgehend. Zwar will die Handlung nicht so ganz aus den Puschen kommen, besonders, da sich die TARDIS-Besatzung in dem Moment aus dem Staub macht, als die Handlung gerade endlich Fahrt aufnimmt, aber The Crusade lediglich als solide zu beschreiben greift zu kurz. Die Charaktere sind überwiegend klischeefrei und gut ausformuliert und das ständige sich gegenseitig Verpassen ist nicht ganz so offensichtlich (es würde mich sehr wundern, wenn es in dieser Ära ein Historical gäbe, in dem die Hauptfiguren nicht getrennt würden – man hat halt schon ein bisschen nach Schema F gearbeitet, was bei dieser Anzahl an Folgen jährlich aber nicht verwunderlich ist). Die Spannungskurve wird gehalten, aber wie gesagt nicht auf herzkasperinduzierendem Niveau.

The Crusade ist die einzige Folge der zweiten Staffel, der einige Folgen fehlen. Man merkt natürlich die schlechte Qualität der Tonspur und der erhaltenen Folgen (die für die Lost-in-Time-Box nicht extra aufgearbeitet wurden), aber alles andere wäre bei diesem Alter der Folgen ernsthaft verwunderlich.
The Space Museum (4 Teile; Drehbuch: Glyn Jones; Regie: Mervyn Pinfield)

Die TARDIS hat sich etwas vertan, weshalb die Zeitreisenden für kurze Zeit außerhalb der Zeit stehen. Dabei stellen sie fest, dass sie als Ausstellungsstücke in einem Museum gelandet sind.

Die erste Folge ist ganz stark, da sie vom üblichen Doctor-Who-Rezept (und generell von Standard-SF-Konzepten) abweicht und erstmals in der Serie Zeitreisen als mehr als nur ein Transportmittel charakterisiert werden. Die Folgen danach sind leider nicht mehr ganz so herausragend, da wir uns wieder in üblichen Gefilden befinden. Doch auch der Rest von The Space Museum ist besser, als das, was wir (mit Ausnahme von The Dalek Invasion of Earth) bisher in den SF-Folgen von Doctor Who gesehen haben. Zwar sind die Moroks ganz unbrauchbare Invasoren, die ihre beste Zeit schon hinter sich haben, und die Rebellen sind auch nicht besser (sonst hätten sie die Moroks ja längst rausschmeißen können), aber gerade das macht irgendwie einen Wohlfühlfaktor diese Serials aus: Man muss ja nicht immer gleich gegen die Daleks oder andere hochgefährliche Lebenwesen kämpfen, sondern manchmal hat man es eben einfach mit himmelschreiender Inkompetenz zu tun, der man möglichst aus dem Weg gehen muss, um nicht unter die Räder zu kommen.

Die Extras sind leider ziemlich schmal ausgefallen, dafür sind sie aber gut. Zum einen gibt es ein äußerst interessantes Interview mit einer Enkelin William Hartnells und zum anderen verteidigt Rob Shearman dieses Serial. Das letztere Extra hatte mir einen sehr surrealen Moment beschert, da es mit Musik aus Raumpatrouille hinterlegt ist – mein Gehirn konnte es anfangs nicht so richtig verarbeiten, dass da Bild von Doctor Who und Ton von Raumpatrouille gleichzeitig passieren, wo doch die Raumpatrouille-DVD-Box auch noch neben mir lag…

The Chase (6 Teile; Drehbuch: Terry Nation; Regie: Richard Martin, Douglas Camfield)

Die Daleks, seit neuestem Besitz einer Zeitmaschine, verfolgen den Doctor durch Raum und Zeit, wobei endlich auch mal aufgeklärt wird, was damals auf der Mary Celeste wirklich passiert ist.

Langsam wird der starre Wechsel zwischen Historicals und SF-Folgen aufgebrochen. The Chase ist das zweite untypische SF-Serial in Folge, und es ist ein großer Spaß. Die Handlung ist eigentlich jede Teilepisode gleich – die TARDIS landet wahllos irgendwo, die Daleks kommen kurz danach an und daraufhin versuchen Doctor samt Companions, zur TARDIS zurückzukommen, um den Daleks zu entkommen. Die TARDIS-Crew steht im Mittelpunkt, denn dies ist die letzte Folge mit Ian und Barbara und man merkt einfach, wie groß der Einfluss der beiden auf den Doctor war. Die Schlussszenen der beiden, als sie wieder in London angekommen sind, sind daher auch der Höhepunkt der Folge.

Die Extras belegen eine vollständige DVD, sie sind also sehr zahlreich ausgefallen. Thematische Schwerpunkte sind die Daleks (deren ursprünglicher Designer in einem der Extras zu den Designern der heutigen Serie eingeladen wurde), der damalige DW-Modellbauer Shawcraft Models (inklusive eines Super-8-Films, in dem z.B. das Flugzeug/Raumschiff aus The Faceless Ones in Farbe beim Zusammenfalten der Flügel gezeigt wird) und, in einer sehr eindrücklichen Dokumentation, Ian und Barbara. Die Bedeutung dieser beiden Companions nicht nur für den Doctor, sondern für die gesamte Serie wird dabei besonders herausgehoben.

The Time Meddler (4 Teile; Drehbuch: Dennis Spooner; Regie: Douglas Camfield)

Der Doctor und Vicky bemerken einen blinden Passagier: Steven, der sich mitsamt Kuscheltier in die TARDIS retten konnte. Um Steven zu beweisen, dass die TARDIS in Raum und Zeit reisen kann, landet der Doctor sie im Jahre 1066 in Nordengland – wo gerade der Meddling Monk den Lauf der Geschichte ändern will.

So richtig hat mich The Time Meddler nicht gepackt. Der Meddling Monk (dessen TARDIS voll funktionstüchtig ist) ist ein schöner Gegenspieler für den Doctor und die Sachsen sind auch nett, aber irgendwie kommt The Time Meddler nicht zu Potte. Das liegt vielleicht auch daran, dass es einfach zu auffällig ist, wie knapp sich der Doctor und Vicky und Steven jeweils verfehlen. In Erinnerung bleibt jedoch der Anfang der Episode, die den Doctor so witzig und gut gelaunt wie selten zeigt.

Leider enthält die DVD kaum Extras. Die Box ist Verity Lambert gewidmet, weshalb das ausführlichste Extra eine Biographie von Verity Lambert ist. Eine kleine Featurette zeigt die verschiedenen Techniken, die zur optischen Aufmöbelung der Filmaufnahmen von diesem Serial genutzt wurden.

  1. Die Soundbearbeitung war damals anscheinend noch nicht so stark entwickelt wie heutzutage, denn neben manchen überlauten Studiofußböden hört man auch schonmal die Pedale der Daleks quietschen. Wenn die Produktions-Untertitel nicht drauf hinweisen würden, würde das aber eigentlich gar nicht so sehr auffallen. []
  2. In The Fires of Pompeii gibt der Doctor zu, dass er Nero die Inspiration für den Stadtbrand von Rom gab. []
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