Hörspiele mit dem 6. Doctor und Evelyn

Der 6. Doctor ist, zumindest wenn man die Fernsehfolgen betrachtet, gemeinhin der unbeliebteste Doctor überhaupt. Bei den Hörspielen ist das aber genau andersrum, da ist der 6. Doctor (neben dem 8. Doctor) der wahrscheinlich beliebteste Doctor. Er ist eine der (vor)lauteren Inkarnationen des Doctors und ist, nett ausgedrückt, sehr von sich überzeugt. Man merkt aber trotzdem schnell, dass sich seine beiden Herzen an den jeweiligen rechten Flecken befinden.

Evelyn zählt zu den Companions, die extra für die Hörspiele erfunden wurden. Sie ist eine 55-jährige Historikerin aus unserer Zeit und sehr kontaktfreudig. Neben den Wundern des Universums allgemein sind Evelyn besonders die Personen wichtig, die sie auf ihren Reisen mit dem Doctor kennenlernt und deren Schicksale ihr oft sehr nahe gehen. Im Bedarfsfall gibt sie dem Doctor auch mal kontra, was der durchaus zu schätzen weiß. Außerdem hat sie eine ausgeprägte Vorliebe für Schokolade in allen Formen (was der Doctor ebenfalls zu schätzen weiß). Evelyn und der Doctor begegnen sich zuerst in The Marian Conspiracy, ihre Wege trennen sich (mehr oder weniger) Thicker Than Water. Ihr chronologisch allerletztes Hörspiel, A Death in the Family, bestreitet Evelyn an der Seite des 7. Doctors, außerdem gibt es mit Real Time ein Hörspiel mit dem 6. Doctor in einer abweichenden Zeitlinie.

Uneingeschränkt empfehlenswerte Hörspiele mit Evelyn und dem 6. Doctor sind The Marian Conspiracy, Jubilee und Doctor Who and the Pirates. Diese und einige weitere Hörspiele sind auch interessant für Leute, die keine regelmäßigen Hörspiel-Hörer sind. Die entsprechenden Titel habe ich aufgeführt in der Hörspiel-Übersicht für reine New-Who-Fans.

Da der Eintrag inzwischen sehr lang ist (und hoffentlich immer länger wird), habe ich die Liste grob nach Produktionsjahren unterteilt:

Hörspiele von 2000 bis 2004

Solide bis sehr gute Kost, darunter mehrere Klassiker.

The Marian Conspiracy (Jacqueline Rayner)

Der Doctor sucht in der Gegenwart die Ursache für einen wunden Punkt in der Zeitgeschichte und findet diesen in der Geschichtsdozentin Dr. Evelyn Smythe. Um diesen Zustand zu beseitigen, folgen beide einer Spur in die Zeit von Mary Tudor, wo Evelyn und der Doctor in den Machtkampf um den Thron und die religiöse Vorherrschaft verwickelt werden.

Normalerweise bin ich nur begrenzt für Historienfolgen zu begeistern, aber mehrere Punkte sorgen dafür, dass mir diese Folge trotzdem Spaß gemacht hat. Zum einen ist die selbstbewusste Evelyn ein Companiontypus, der nur selten in Doctor Who vorkommt. Zum anderen geht man erstaunlich behutsam mit den Figuren um. Mary wird normalerweise bei den Briten eher negativ dargestellt (was sich u.a. in ihrem Beinamen Bloody Mary niederschlägt), hier wird aber versucht, die Beweggründe der beiden konkurrierenden Lager relativ unvoreingenommen darzustellen. Das einzige, das ich an diesem Hörspiel auszusetzen habe, ist die ständige Benutzung von Vor- und Zunamen bei den Nebenpersonen. Das verhindert zwar Verwechslungen, aber irgendwann reichts dann auch.

The Spectre of Lanyon Moor (Nicholas Pegg)

Ein Dorf in Cornwall wird von seltsamen Erscheinungen heimgesucht, die der Doctor und Evelyn zusammen mit dem zufällig anwesenden Brigadier untersuchen.

Die Folge ist eher durchschnittlich und mir deshalb kaum im Gedächtnis geblieben. Der Bösewicht war leider seltsam psychopathisch und blieb dabei ziemlich eindimensional. Dafür war der Brigadier, der dem 6. Doctor hier zum ersten Mal begegnet, wie immer wunderbar.

The Apocalypse Element (Stephen Cole)

Der Planet Archetryx wird von den Daleks überfallen, womit der schwelende Konflikt zwischen den Daleks und den Time Lords offen ausbricht1. Unerwartet taucht die seit 20 Jahren vermisste Romana in dem Inferno auf und zu allem Übel überfallen die Daleks auch noch Gallifrey.

Eigentlich mag ich Daleks, doch hier ist die Handlung um die Blechpötte einfach nur verworren. Womöglich hängt das damit zusammen, dass The Apocalypse Element Teil einer kleinen Reihe namens Dalek Empire (nicht zu verwechseln mit der späteren Reihe Dalek Empire, in der der Doctor nicht mehr vorkommt) ist, ich kenne aber nur diesen Teil und weiß deshalb nicht, ob die Kenntnis der anderen Teile zum besseren Verständnis dieses Hörspiels beitragen würde. Ich habe jedoch auch keinerlei Ambitionen, das herauszufinden. Neben völlig verheizten Daleks haben wir hier außerdem stinklangweilige Time Lords, was aber immerhin normal ist. Leider wird Evelyn hier zudem mehr oder weniger zur Stichwortgeberin degradiert. Interessant wird The Apocalypse Element lediglich durch seine "historische" Bedeutung für den Time War, was die Handlung trotzdem nicht retten kann. Alles in allem also eine ziemliche Enttäuschung.

Bloodtide (Jonathan Morris)

Der Doctor möchte Evelyn eine Freude bereiten und landet mit ihr auf Galapagos. Dort treffen die beiden auf Charles Darwin sowie eine Hand voll Silurians und gelangen dabei zu ganz unerwarteten Erkenntnissen in Sachen Evolutionstheorie.

Dieses Hörspiel zeichnet sich vor allem durch die schönen Dialoge aus. Die Handlung selbst ist nichts außergewöhnliches, wird aber aufgewertet durch das gut dargestellte Setting und die Interaktion der Figuren. Ein Manko ist, dass die Stimmen der Silurians auf Dauer etwas anstrengend sind. Colin Baker und Maggie Stables sind zu nicht unerheblichen Teilen dafür verantwortlich, dass sich dieses Hörspiel über den Durchschnitt erhebt.

Project: Twilight (Cavan Scott, Mark Wright)

Der Doctor hat Evelyn zum Essen beim (seiner Meinung nach) besten Chinesen des Universums ausgeführt. Auf dem Weg zur Tardis werden sie Zeuge eines ungewöhnlichen Überfalles und bekommen es infolge dessen mit wahrhaft zwielichtigen Gestalten zu tun.

Wieso man die Bösewichte hier unbedingt als Vampire darstellen musste, erschließt sich mir nicht, sie werden dadurch nämlich nicht wesentlich interessanter. Insgesamt kommt das Hörspiel nicht ganz vom Fleck, wird aber durch die tolle Chemie zwischen dem Doctor und Evelyn gerettet.

The Sandman (Simon A. Forward)

Der Doctor stattet den Galyari, einem Volk, dem er als dämonischer Sandman bekannt ist, einen Besuch ab. Es stellt sich heraus, dass der Doctor zwar der Stoff für die Mythen der Galyari ist, aber die wahre Bedrohung von einer Seite kommt, mit der die Galyari nicht gerechnet haben.

Eigentlich hat dieses Hörspiel einige Voraussetzungen, um toll zu werden: Das große Raumschiffkonvoi als Handlungsort ist sehr interessant und gut dargestellt. Man beleuchtet die gefährlichen Seiten des Doctors – was ich immer sehr reizvoll finde – und natürlich kommt auch Evelyn nicht zu kurz (die Kommentare, die sie über des Doctors Mantel macht kann man ihr wirklich nicht verdenken). Der einzige konkrete Kritikpunkt, den ich habe, sind die Flashbacks, die etwas den Handlungsfluss stören, auch wenn man kaum auf eine andere Weise die Vorgeschichte der Ereignisse im Konvoi erzählen könnte. Alles in allem will The Sandman einfach nicht richtig zünden.

Jubilee (Rob Shearman)

Der Doctor und Evelyn versuchen, im Jahre 1903 zu landen, bleiben aber in einer alternativen Zeitlinie im Jahre 2003 stecken. Dort gibt es noch das britische Empire, das zu einer diktatorischen Großmacht geworden ist. Als Erinnerung an den Sieg des Empires über die Daleks hundert Jahre zuvor, soll bei den Jubiläumsfeierlichkeiten ein Kriegsgefangener, der letzte verbliebene Dalek, hingerichtet werden.

Jubilee von Robert Shearman gilt als eines der besten Big-Finish-Hörspiele überhaupt. Die darauf basierende Fernsehfolge Dalek ist unzweifelhaft eines der Highlights der Doctor-Who-Staffel mit dem 9. Doctor. Beide Male steht ein einsamer Dalek im Mittelpunkt, der sich durch das Einwirken des Companions verändert und nicht mehr Dalek-typisch verhält. Obwohl man wechselseitig ganze Szenen erkennen kann, entwickeln sich beide Werke in gänzlich andere Richtungen. Jubilee und Dalek sind jedoch nicht nur für sich genommen sehr gelungen, sondern auch ein direkter Vergleich ist lohnenswert.

Doctor Who and the Pirates (Jacqueline Rayner)

Evelyn besucht ihre Studentin Sally, die gerade durch einen Unfall ihren Freund verloren hat. Um ihr wieder etwas Lebensmut zu geben, erzählt Evelyn ein Abenteuer, das sie mit dem Doctor erlebt hat. Darin wimmelt es vor Piraten, die, als der Doctor die Erzählung übernimmt, auch noch zu singen anfangen…

Mein erstes Hörspiel von Big Finish, und es hat mich gleich begeistert zurückgelassen. Die Rahmenhandlung ist tragisch, wird aber durch das um so witzigere (aber dennoch ebenfalls tragisch endende) Piratenabenteuer aufgelockert. Das Prinzip der Erzählung in der Erzählung wird für einige Eigenbezüge auf das Dasein als Serie genutzt, so wird Evelyn von Sally z.B. auf Logiklöcher, eine überhaupt gar zu phantastische Geschichte und einige auffällig zufällige Zufälle hingewiesen. Als der Doctor den Rest der Geschichte erzählt, wird die Handlung zwar zielgerichteter, aber man sollte als Hörer immer im Hinterkopf haben, dass niemand genau sagen kann, was von den Anekdoten des Doctors wahr ist und was nicht. Die Piratengeschichte ist von einer ganzen Ansammlung liebevoll gezeichneter Figuren bevölkert. Es gibt einen klischeehaften pösen Piratenkönig, der Kapitän des gekaperten Schiffes ist ein Snob und es wird auch eine Figur mit Bezug zur Rahmenhandlung eingeführt. Im dritten Teil verwandelt sich das Hörspiel dann in ein Musical. Die Musik stammt ursprünglich aus verschiedenen Operetten von Gilbert und Sullivan. Die Lieder haben gewitzte Texte, die wiederum einige Bezüge zum Whoniversum aufweisen. Obwohl mir der Stil musikalisch eigentlich überhaupt nicht liegt, höre ich die Lieder trotzdem immer wieder gerne. Doctor Who and the Pirates ist zum Einstieg in die Hörspiele eindeutig zu empfehlen und wird völlig zu Recht zu den Klassikern von Big Finish gezählt.

Project: Lazarus (Cavan Scott, Mark Wright)

Der Doctor hat endlich ein Heilmittel für Cassie gefunden, die der Doctor und Evelyn während der Erignisse von Project: Twilight kennengelernt haben. Dabei zieht der Doctor erneut die Aufmerksamkeit der Forge auf sich.

Project: Lazarus ist ein zweigeteiltes Hörspiel. Die erste Hälfte wird vom 6. Doctor und Evelyn bestritten, in der zweiten Hälfte kehrt der 7. Doctor an den Ort der Handlung der ersten Hälfte zurück. Da man auf bereits bekannte Personen zurückgreift, kann man sich diesmal stärker dem Handlungsaufbau widmen, weshalb Project: Lazarus spannender ist als Project: Twilight2. Im Teil des 6. Doctors können wir mal wieder den Doctor und Evelyn Höchstform erleben, zudem bekommt Evelyn etwas mehr Raum als üblich eingeräumt. Der Teil des 7. Doctors ist zwar streckenweise etwas arg dick aufgetragen, bietet andererseits aber einen interessanten Storytwist.

Arrangements for War (Paul Sutton)

Evelyn ist noch immer tief getroffen vom Tod von Cassie und erbittet sich deshalb eine Auszeit. Der Doctor schlägt vor, sich zeitweise in Világ niederzulassen, einer Gegend des Universums, die zum gewählten Zeitpunkt eigentlich friedlich sein sollte.

Evelyn und der 6. Doctor sind zusammen nahezu unschlagbar, auch weil Evelyn dem Doctor nicht alles durchgehen lässt. Den Urlaub auf Világ verbringt sie jedoch – absichtlich – außerhalb der Reichweite des Doctors, weshalb Arrangements for War von vornherein nicht funktionieren kann. Das alles bietet zwar reichlich Möglichkeiten zur Charakterentwicklung für Evelyn, aber das Gelbe vom Ei isses eben nicht, zumal sich die politischen Verwicklungen in diesem Quasi-Historical teilweise etwas zäh gestalten.

Medicinal Purposes (Robert Ross)

Der Doctor und Evelyn landen zufällig in Edinburgh zur Zeit der Burke-und-Hare-Morde, wo sie sowohl Mörder als auch Mordopfer kennenlernen.

Medicinal Purposes bietet endlich wieder reichlich von dem Dialogwitz, den die vorherigen beiden Hörspiele etwas vermissen ließen, denn der Haussegen in der TARDIS hängt nun wieder weniger schief. Eine Nebenrolle ist prominent besetzt, David Tennant spielt nämlich Daft Jamie, von dem man allerdings trotz der Bedeutung der Rolle vergleichsweise wenig zu hören bekommt3. Das Hörspiel fängt als Historical an, es zeigt sich jedoch nach und nach, dass in Edinburgh Kräfte von außerhalb am Werk sind. Das Paradox, dass wir hier präsentiert bekommen, ist etwas seltsam und überhaupt hätte das Hörspiel schöner werden können, wenn es ein reines Historical geblieben wäre, denn Medicinal Purposes lässt mit zunehmendem Handlungsfortgang leider etwas nach. Immerhin bekommen wir mal gezeigt, dass der Doctor historische Berühmtheiten tatsächlich trifft, wo er doch so gerne dem Namedropping frönt.

Hörspiele von 2006 bis 2008

Abgesehen von 100 eher (unter)durchschnittliche Kost.

Pier Pressure (Robert Ross)

Evelyn und der Doctor fahren zum Urlaub nach Brighton (die TARDIS weigerte sich, Blackpool anzusteuern), wo sie natürlich wie immer den Ärger anziehen.4

Für Besessenheits-/Gedankenmanipulationsszenarien werd ich mich nie begeistern können. In diesem Fall kommt noch hinzu, dass man sicher auch bessere Wege hätte finden können, um die Stimmen im Kopf der Besessenen darzustellen. Dementsprechend lau finde ich das Hörspiel, obwohl der Doctor und Evelyn noch einiges retten konnten.

The Nowhere Place (Nick Briggs)

Der Doctor und Evelyn landen auf einem Raumschiff, das gerade den Rand des Sonnensystems erreicht5. Dort werden die Besatzungsmitglieder von einer Tür angezogen, die ins Nichts führt.

Och nee, noch so eine Gedankenbeeinflussungsfolge. The Nowhere Place hat einige Längen; es passiert so wenig, dass mir schleierhaft ist, wie man das überhaupt auf 4 Teile aufblasen konnte. Von den Nebenfiguren gewinnt keine einzige an Profil. Kurz: Völlig vergessenswert.

100

Zur 100. Veröffentlichung in Big Finishs monatlicher Doctor-Who-Reihe wurde 100 veröffentlicht, das aus vier voneinander unabhängigen Teilen besteht, die sich irgendwie um die Zahl 100 drehen.

  1. 100 BC (Jacqueline Rayner)

    Der Doctor und Evelyn besuchen Rom, wo sie die Eltern von Julius Caesar kennenlernen.

    100 BC ist recht kurzweilig, entwickelt aber leider nicht soviel Witz, wie es sich für ein komödiantisch angelegtes Hörspiel gehören würde.

  2. My Own Private Wolfgang (Rob Shearman)

    In einer alternativen Zeitlinie ist Mozart wesentlich älter geworden als Mitte dreißig. Evelyn und der Doctor besuchen das Konzert, das er zu seinem 100. Geburtstag gibt.

    My Own Private Wolfgang ist eine wahre kleine Perle. Wie von Rob Shearman zu erwarten, ist dieses Hörspiel ordentlich um die Ecke gedacht, auch wenn Shearman in der kurzen Zeit keine übermäßig abgedrehten Szenarios entwerfen kann.

  3. Bedtime Story (Joseph Lidster)

    Auf der Familie eines ehemaligen Studenten von Evelyn scheint ein Fluch zu lasten, der bis ins 17. Jh. zurückreicht.

    Bedtime Story ist eine Mischung aus Gruselstory und Märchen. Zum Ende hin wird das Hörspiel zwar etwas hektisch, im Großen und Ganzen ist es dennoch gelungen.

  4. The 100 Days of the Doctor (Paul Cornell)

    Der Doctor wird freundlich darauf hingewiesen, dass er mit einem intelligenten Virus infiziert wurde, das ihn in 100 Tagen umbringen wird.

    The 100 Days of the Doctor ist Big Finishs Jubiläumsgeschenk an sich selbst. Dieses Episödchen lebt von der tollen Chemie zwischen Evelyn und dem Doctor und den vielen Referenzen auf andere Big-Finish-Hörspiele – es werden verschiedene Doctoren und Companions besucht (von denen jeweils mindestens einer Big-Finish-exklusiv ist), und auch Bernice Summerfield und sogar der alternative Doctor aus Sympathy for the Devil finden Erwähnung. Für sich betrachtet ist The 100 Days of the Doctor nicht viel mehr als eine Nummernrevue, aber eine, die Spaß macht.

Assassin in the Limelight (Robert Ross)

Am Tag der Ermordung Abraham Lincolns treffen der Doctor und Evelyn auf einen alten Widersacher.

Wie Medicinal Purposes beginnt auch Assassin in the Limelight ziemlich geschichtslastig. Hier wie dort kann mich die Story um die aus den Fugen gesprungene Zeitlinie, die sich aber wieder von selbst einrenkt, nicht begeistern. Wo Medicinal Purposes ein ordentliches Drumrum bieten kann, leistet man sich in der Fortsetzung dagegen mehrere störende Ungenauigkeiten6 und besonders der letzte Teil zieht sich sehr lange hin – immer wenn man meint, dass gerade das Ende erreicht wurde, kommt doch noch was neues. Ein Sequel, das nicht nötig gewesen wäre.

Hörspiele ab 2010

Auch eher durchschnittliche Kost, zudem ist Brewster ein bisweilen nerviger Zweitcompanion.

Companion Chronicles: A Town Called Fortune (Paul Sutton)7

Der Doctor und Evelyn landen im Wilden Westen im Goldgräberstädtchen Fortune. Dort wird der Doctor augenscheinlich als Schwerverbrecher gesucht.

Ich tu mich ein wenig schwer mit dem Companion-Chronicle-Format – wieso denn ein verkapptes Hörspiel hören, wenn man auch ein richtiges Hörspiel haben könnte. Die Handlung macht nicht viel her, andererseits sehen wir hier die Geschichte mal ausschließlich durch Evelyns Augen. Ich sag mal so: Es war kein schlimmer Fehlkauf, aber man verpasst auch nicht viel, wenn mans nicht hört.

The Crimes of Thomas Brewster (Jonathan Morris)

Evelyn und der Doctor werden in London in Ermittlungen wegen Bandenkriminalität verwickelt, da sich ein neu aufgestiegener Bandenchef als der Doctor ausgibt. Dessen Aktivitäten beschränken sich jedoch nicht nur auf die Erde.

Ach, ist das schön, den 6. Doctor und Evelyn endlich wieder in alter Frische zu hören, nachdem die letzten (ohnehin schon fast drei Jahre zurückliegenden) Hörspiele etwas geschwächelt haben. Zwar hat auch dieses Hörspiel seine Schwächen – deskriptive Dialoge gibt es mehr als einmal, die lange Musik hätte nicht sein müssen, und wie oft jemand von irgendeiner Lebensform besessen war, zähle ich schon nicht mehr – aber die schönen Dinge überwiegen erfreulicherweise, was wie so oft an der Chemie zwischen dem Doctor und Evelyn liegt.

The Feast of Axos (Mike Maddox)

Ein Milliardär hat Axos wiederentdeckt und möchte daraus Profit schlagen. Der Doctor landet mit seinen Companions im Inneren von Axos und versucht von dort aus, Schlimmeres zu verhindern.

Big Finish will mich wohl ärgern: Das ist jetzt das zweite Hörspiel in Folge, in dem jemand von einer außerirdischen Lebensform besessen wird. Da The Feast of Axos aber richtig spannend ist, juckt mich das genauso wenig wie die mit voller Überzeugung vorgetragenen falschen Akzente10. Im Gegensatz zu den von 2006 an veröffentlichten Hörspielen hat The Feast of Axos endlich wieder eine Handlung, die von vorne bis hinten stringent ist und der man auch über die ganze Zeit folgen kann und möchte. Dieses Hörspiel ist zwar eine lose Forsetzung von The Claws of Axos, es gibt aber keine Verständnisprobleme, wenn man diese Classics-Folge nicht kennt.

Industrial Evolution (Eddie Robson)

Brewster wurde vom Doctor wieder in seiner Heimatzeit abgesetzt. Um ihn ein bisschen im Auge zu behalten, bleiben der Doctor und Evelyn eine Weile in der Gegend. Dabei fallen ihnen Unregelmäßigkeiten in einer Kupfermühle auf.

Industrial Evolution ist zwar insgesamt ein bisschen zahnlos, lässt sich aber dennoch gut durchhören. Die Soundlandschaften sind sehr gelungen und insbesondere Evelyn kriegt besonders viele hübsche Dialogzeilen ab. Höhepunkt ist eindeutig Rory Kinnear, der Belfrage, den Betreiber der Kupfermühle, darstellt. Brewster wird in dieser Folge (hoffentlich) endgültig verabschiedet – er hat zwar eindeutig an Profil gewonnen, aber das Misstrauen zwischen ihm und dem Doctor machte seine Anwesenheit in der TARDIS nicht immer zur reinen Freude für den Hörer.

Weitere Hörspiele mit Evelyn

Die beiden Abschieds-Hörspiele von Evelyn, nicht mehr mit dem Doctor allein, sondern zusammen mit anderen Companions:

Thicker than Water (Paul Sutton)

Zusammen mit Mel besucht der Doctor Evelyn, die inzwischen auf dem Planeten Világ lebt und mit Rossiter verheiratet ist, den sie während Arrangements for War kennengelernt hat.

Ich bin sonst nicht sehr begeistert, wenn Companions für eine Folge zurückgeholt werden, aber in Thicker than Water geht das tatsächlich gut. Der Ton ist anders als in den "richtigen" Evelyn-Hörspielen, da sich der Doctor nun schon eine gewisse Zeit außerhalb der Reichweite von Evelyns milderndem Einfluss befindet. Der urspüngliche Abschied von Evelyn passiert nur in Rückblenden, dafür arbeitet dieses Hörspiel nochmals das Besondere an der Dynamik zwischen Evelyn und dem 6. Doctor heraus: Evelyn hat den 6. Doctor ein wenig gezähmt (und ihm Schokokuchen gebacken), wofür er ihr sehr dankbar ist, der Doctor wiederum hat Evelyns Leben auf eine Art und Weise bereichert, die sie vorher gar nicht für möglich gehalten hätte. Wie zu erwarten, wird erneut auf die Forge-Hörspiele Bezug genommen, womit man mich eigentlich jagen kann, aber selbst das wurde hier manierlich eingebaut. Thicker than Water ist zwar nicht die letzte veröffentlichte Folge mit Evelyn, aber die Folge, in der ihr Abschied als Companion dargestellt wird, weshalb es sehr erfreulich ist, dass diese so gut gelungen ist.

A Death in the Family (Marty Ross)

Der Word Lord Nobody No Oneforty-five 8 hat es anscheinend geschafft, den 7. Doctor ein für alle mal umzubringen. Seine Companions Ace und Hex versuchen dennoch, Nobody No One zu schlagen und den Doctor zu retten. Dabei macht Hex die Bekanntschaft von Evelyn.

A Death in the Family ist chronologisch gesehen Evelyns letzter Auftritt im Whoniversum, an der Seite des 7. Doctors und nur in einer Nebenrolle. Auch hier kommt man, zu meinem Leidwesen, wieder nicht um die Forge-Hörspiele drumrum, denn Hex ist der Sohn von Cassie aus Project: Twilight und Project: Lazarus9. Das Hörspiel ist episodisch aufgebaut, jeder der 4 Teile erzählt also eine abgegrenzte Teilgeschichte. Da der 7. Doctor nicht ganz mein Tässchen Tee ist, bin ich relativ froh darüber, dass er nur vergleichweise selten vorkommt. Ein bisschen kann man sich angesichts des Universums ohne Doctor an Turn Left oder das Finale der 5. (neuen) Staffel erinnert fühlen. Evelyn kommt hauptsächlich im 2. Teil und am Ende von A Death in the Family vor. Natürlich stellt sich zwischen ihr und dem 7. Doctor nicht die Chemie ein, die sie mit dem 6. Doctor hatte, aber sie lässt es sich nicht nehmen, ihm die Leviten zu lesen und ist auch sonst so aufgeweckt und streitbar wie immer. Mit diesem Hörspiel gehört Evelyn zu den wenigen Companions, die sogar zwei gelungene Abschiedsfolgen bekommen haben.

Außerhalb der etablierten Continuity:

Webcast: Real Time (Gary Russell)

In einer alternativen Zeitlinie treffen der Doctor und Evelyn (die an der Erschaffung ebendieser Zeitlinie unfreiwillig beteiligt waren) auf Cybermen.

Wenn ich mich für Cybermen begeistern könnte, würde ich Real Time wahrscheinlich ziemlich toll finden. Es hat zumindest ein schickes Zeitparadoxon und es ist mal wieder ein Genuss, dem Doctor und Evelyn zuzuhören. Außerdem wurde dem Doctor ein blaues Kostüm verpasst, während er vorher immer in einem unsäglichen quietschbunten Etwas rumgerannt ist. Eigentlich ist das Ende offen und schreit nach einer Fortsetzung, aufgrund äußerer Umstände ist es dazu aber leider nicht gekommen. Real Time ist als Webcast frei zugänglich. Laut dem Reference Guide könnte man dieses Hörspiel am ehesten nach Doctor Who and the Pirates eintakten.

  1. RTD hat später die Gefechte in The Apocalypse Element als eine erste Eskalation des von ihm eingeführten Time Wars bezeichnet. []
  2. In Großbritannien scheint es ein Überangebot an Geheimorganisationen, die sich mit außerirdischen Lebensformen beschäftigen, zu geben. []
  3. Ursprünglich hätte David Tennant diesjahr in einem Film William Hare spielen sollen (mit Simon Pegg als William Burke), aber leider musste er sich aus dem Projekt zurückziehen. []
  4. Dieses Hörspiel wurde nach Thicker than Water veröffentlicht, das den chronologisch letzten Auftritt von Evelyn an der Seite des 6. Doctors darstellt. []
  5. Der Rand des Sonnensystems ist hier noch Plutos Umlaufbahn. Eigentlich hört das Sonnensystem sowieso nicht am letzten Planeten auf, sondern es erstreckt sich bis zur Heliopause, die ein ganzes Stückchen weiter draußen ist. []
  6. Ein Picotesla ist nicht etwa sehr, sehr viel, sondern sehr, sehr wenig, nämlich 10-15 (also 0,000000000000001) T. []
  7. Die fortlaufende Reihe hat Produktionscodes, anhand derer man die Reihenfolge der Hörspiele festmachen kann, auch wenn sie sozusagen durcheinander veröffentlicht wurden. Bei Hörspielen, die nicht in der monatlichen Reihe erscheinen (wie z.B. die Companion Chronicles), sind die Produktionscodes anders, weshalb man sie nur ungenau einordnen kann. Ich habe mich in diesem Fall an den Vorschlag vom Reference Guide gehalten und A Town Called Fortune entsprechend des Veröffentlichungsdatums einsortiert. []
  8. Besagter Word Lord trat zuerst im Jubiläumshörspiel Forty-Five, ebenfalls mit dem 7. Doctor, auf. Dort ist er im 4. Teil zu hören (das Hörspiel besteht aus 4 weitestgehend voneinander unabhängigen Teilen). Im 1. Teil (und in einer Mini-Rolle auch im 2. Teil) dieses Hörspiels spielt Benedict Cumberbatch mit, dessen Stimme anerkanntermaßen Sex für die Ohren ist. []
  9. Unmittelbar vor A Death in the Family ist mit Project: Destiny ein drittes und offensichtlich letztes Forge-Hörspiel erschienen. Der aufmerksame Leser kann sich sicher ausrechnen, dass ich mir das nicht angehört habe. []
  10. Das mit den langen Musikeinspielungen in der Mitte des Hörspiels scheint inzwischen die Regel zu sein. Naja, man kann ja vorspulen. []
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