Genesis of the Daleks

Wie der aufmerksame Leser schon gemerkt haben dürfte, ist der 4. Doctor nicht gerade mein Lieblingsdoctor. Ich hatte deshalb schon befürchtet, dass mir Genesis of the Daleks ähnlich am Allerwertesten vorbeigeht, wie manch anderes gemeinhin als Klassiker bezeichnetes Serial mit diesem Doctor. Es kam aber anders und Genesis dürfte für mich so ziemlich gleichauf mit The Dalek Invasion of Earth liegen (so ganz kann man die beiden Folgen nicht miteinander vergleichen, da sich zwischenzeitlich sowohl die Produktionsstandards als auch die gesellschaftlichen Bedingungen geändert haben). Obwohl man den Inhalt dieses Serials als Doctor-Who-Fan entweder irgendwo schon gelesen hat oder durch Anspielungen aus späteren Folgen kennt, kommt Genesis of the Daleks nicht im Mindesten altbacken daher.

Der Doctor wird von den Time Lords auf Skaro, dem Heimatplaneten der Daleks, ausgesetzt. Er bekommt den Auftrag, die Erschaffung der Daleks zu verhindern1.

Genesis of the Daleks schreibt die Geschichte der Daleks neu,2 weil die Alternative gewesen wäre, dass Terry Nation zum x-ten Male dasselbe Skript einreicht. Terry Nation hatte alle Dalek-Folgen mit dem 1. Doctor geschrieben. Die allererste Dalek-Folge will die den Daleks innewohnende Nazi-Analogie noch mit dem Vorschlaghammer rüberbringen und ist heute eher aus historischen Gründen interessant (zumal es noch eine halbe Staffel dauern sollte, bis Doctor Who anfing, sich wie Doctor Who anzufühlen), aber sowohl The Dalek Invasion of Earth (zugleich die erste Folge, in der eine große Invasion der Erde dargestellt wird, und allein deshalb schon stilbildend) als auch The Daleks' Master Plan (ein großes und komplexes Serial, das trotz der Länge den modernen Doctor-Who-Folgen sehr nahe kommt) sind ganz grundlegende Dalek-Folgen, die selbst heute noch relevant sind. The Chase ist dagegen vor allem ein fröhliches Ringelreihen durch Raum und Zeit und daher nicht ganz ernst zu nehmen, aber es etabliert eben auch, dass die Daleks zu Zeitreisen fähig sind. Die beiden Dalek-Folgen des zweiten Doctors – Power of the Daleks, das als einer der großen Schätze der verlorenen Folgen gehandelt wird, und das meiner Meinung nach im Vergleich zu Power noch viel herausragendere The Evil of the Daleks, in dem die Daleks die menschliche Natur verstanden haben und diese Tatsache voll ausnutzen – stammen nicht von Terry Nation. Die Ära des dritten Doctors ist in Sachen Daleks eine ziemliche Enttäuschung. Am ehesten was her macht das nicht von Terry Nation geschriebene The Day of the Daleks, aber nicht wegen, sondern trotz der Daleks: Die wurden nur nachträglich in ein an sich ziemlich cleveres Serial reingeschrieben, weil Evil so lange her war, und in entsprechendem Zustand waren die drei Daleks, die bei der Produktion zur Verfügung standen. Die anderen beiden Dalek-Folgen des dritten Doctors sind wieder von Terry Nation und man kann angesichts dessen Jon Pertwee nicht übelnehmen, dass er die Daleks nie so richtig mochte: Planet of the Daleks als Teil der Jubiläumsstaffeln zum Zehnjährigen referenziert sowohl The Daleks als auch The Daleks' Master Plan in solchem Maße, dass die Handlung völlig ins Hintertreffen gerät, und auch bei Death to the Daleks wird man das Gefühl nicht los, dass man das alles schon einmal gesehen hat. Genesis of the Daleks zieht also die Notbremse und bringt dringend benötigten frischen Wind in die Mythologie um die Daleks.

Ein Dalek-Prototyp
Der chronologisch erste Dalek im Whoniversum.

Genesis of the Daleks macht so ziemlich alles richtig. Wichtigste Gastfigur ist natürlich Davros, und Michael Wisher stellt ihn einfach herausragend da. Terry Molloy und Julian Bleach sind zwar auch gut als Davros, aber an Wisher kommen sie nicht ran. Davros zur Seite steht Nyder, und Nyder ist so ziemlich der tollste Handlanger, den das Doctor-Who-Universum bisher hervorgebracht hat – er ist ein verabscheuenswürdiges Ekel, absolut schmierig und ein Gewissen hat er auch nicht. Einfach herrlich. Die Daleks bzw. in diesem Fall eher die Kaleds sind natürlich wieder heftig an die Nazis angelehnt, aber das wird diesmal deutlich geschickter und nicht nach Schema F gemacht. Sehr positiv fällt außerdem auf, dass in diesem Serial mit Bettan eine Frau vorkommt, die mal richtig was auf die Beine stellt. Das passiert in klassischem Doctor Who ja leider nicht so oft. Zuletzt muss bemerken, dass Genesis of the Daleks einfach nur gut aussieht. Die Studioszenen sind schummrig genug ausgeleuchtet, dass man es diesmal glaubt, dass etwas in den Schatten lauert, und genau diese Atmosphäre braucht Genesis.

Barbara und Ian in The Romans
Davros und Nyder.

Die DVD-Box zu Genesis wurde bereits 2006 veröffentlicht und ist daher, angesichts der Bedeutung dieses Serials, relativ arm an Extras. Es gibt ein sehr detailliertes Making-Of – unter anderem mit einem alten, sehr interessanten Interview mit Michael Wisher darüber, wie er die Darstellung von Davros angegangen ist – und einen fast einstündigen Überblick über die Dalek-Folgen der klassischen Serie. Aufgrund des Veröffentlichungsjahres kann man hier natürlich keine Querverweise zu Big Finish (dessen Zukunft damals noch nicht ganz sicher war) oder dem Time War erwarten, und allein daher wäre es schön, wenn dieses Serial in einer Special Edition wiederveröffentlicht würde.

Eine interessante Ergänzung zu Genesis of the Daleks ist die vierteilige Hörspiel-Reihe I, Davros, die zeigt, wie Davros der wurde, der er ist. Auf einer zweiten Ebene zeigt I, Davros außerdem, wie viel lebensfeindlicher Skaro innerhalb weniger Jahrzehnte wurde und es wird – wie es sich für eine Spin-Off-Serie aus dem Hause Big Finish gehört – einiges aus der etablierten Doctor-Who-Mythologie geordnet und klargestellt (beispielsweise erfährt man, wie das mit den Dals wirklich war). Seinen Ursprung hat diese Serie im sehr empfehlenswerten Hörspiel Davros, das in der Ära des 6. Doctors spielt und gleichzeitig ein Prequel für Revelation of the Daleks ist. I, Davros selbst hat eine (knapp gehaltene) Rahmenhandlung mit einigen Daleks. In der ersten der vier Folgen wird uns Davros' Familie vorgestellt. Hier liegt der Schwerpunkt deutlicher als in den anderen Folgen auf den politischen Intrigen, die Davros' Mutter spinnt, da Davros sich erst noch sicher werden muss, was er mal werden will. In der zweiten Folge versucht Davros, vom Militär in die Wissenschaft zu wechseln – und er ist nicht gerade weniger brutal geworden in den reichlich zehn Jahren, die seit der ersten Folge vergangen sind. Die dritte und die vierte Folge hängen eng mit Davros zusammen: Im dritten Teil kann sich Davros endlich der Forschung widmen. Ihm zur Seite steht Shan, eine aufstrebende Wissenschaftlerin, zu der Davros ein enges Verhältnis hat, was auch in den Rückblenden in Davros vorkommt. In der letzten Folge kommt zu meiner großen Freude Nyder vor. Davros sitzt nun in seinem Rollstuhl, der gleichzeitig sein Lebenserhaltungssystem ist. Wie das für ihn ist, wird in Davros näher behandelt; I, Davros beschäftigt sich dagegen mit seinem Weg zur Macht und zum ersten Dalek. Das Ende der Serie ist dann auch so gestaltet, dass Genesis of the Daleks als Teil fünf von I, Davros betrachtet werden kann. The Magician's Apprentice / The Witch's Familiar widerspricht I, Davros übrigens nicht, da die Ereignisse aus diesem Zweiteiler noch vor I, Davros spielen.

  1. Wie in der Gallifrey-Hörspielserie zu erfahren ist, kam dieser Befehl von Narvin. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Narvin am Vorabend des Time Wars zweifelhafte Entscheidungen mit den besten Intentionen getroffen hat – er ist zum Beispiel auch an der Entscheidung beteiligt gewesen, dass der Master einen zweiten Regenerationen-Zyklus bekommt, was sich aus Narvins Sicht schneller als erwartet als großer Fehler erwiesen hat. []
  2. Bei der Frage, wie man den Widerspruch zwischen The Daleks und Genesis of the Daleks auflösen kann, scheint es Konsens zu sein, dass die Daleks aus The Daleks die Fehlversuche sind, die auf Skaro zurückblieben, als die anderen Daleks auszogen, um das Weltall zu erobern. []
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